Direkt zum Hauptbereich

Istanbul - Klischees und Realität


Und weiter geht es wie versprochen mit ein paar Informationen über Istanbul. Die meisten von Euch haben nach dem letzten Post gemeint, sie würden aufgrund der politischen Lage zur Zeit nicht dorthin wollen. Das kann ich nachvollziehen, hatte ich doch selbst Bedenken. Trotzdem bleibt: Istanbul ist eine wunderbare Stadt und ihre Bewohner hatten sich beim Referendum zum Präsidialsystem in diesem Jahr mehrheitlich gegen das System ausgesprochen - wie in allen Touristenhochburgen des Landes. Denn die Folgen der Entscheidung treffen vor allem diejenigen, die vom Tourismus leben, wenn die Touristen ausbleiben.


Ich bin gespannt, wie die politische Situation sich künftig entwickelt. Der EU möchte Herr Erdogan ja nach eigenem Bekunden nicht mehr beitreten... Ich würde Istanbul gern noch häufiger besuchen, ich würde gern noch sehr viel dort sehen. Ob das in den nächsten Jahren der Fall sein wird, lasse ich mal offen.

Aber jetzt weiter mit den Klischees und dem, was ich so erlebt habe :-)

6. Istanbul ist voller Gauner


Kann sein. Ich habe keinen getroffen. Klar wird man, wenn man im Basar unterwegs ist, auf jedem Meter angesprochen, damit man just bei diesem Händler die billigsten, die besten und die schönsten XYZ (hier bitte gewünschte Waren einsetzen) kauft. Irgendjemand hat den Basarhändlern übrigens scheinbar auch erzählt, dass jede euroäische Frau am liebsten Französin wäre. Ich wurde auf jeden Fall noch nie im Leben so oft auf französisch angesprochen *grins* Hat nicht gewirkt, ich habe keine Teppich gekauft.


Am Anfang fand ich es etwas gewöhnungsbedürftig, überall im Basar angesprochen zu werden. Nach zwei Tagen war ich da dann abgebrüht. Ich habe mir im Laden angeguckt, was ich mir angucken wollte, habe mich durch so ziemlich alles gefuttert, was mir angeboten wurde und habe es entweder gekauft oder mich mit einem strahlenden Lächeln verabschiedet. Hat hervorragend funktioniert.

7. In Istanbul trinkt man türkischen Kaffee


Falsch. Man trinkt Cay, also Tee. Den gibt es für ein bis zwei türkische Lira eigentlich überall aus niedlichen kleinen Gläsern. Überall in der Stadt begegnet man Teeverkäufern, die ein Tablett mit Teegläsern durch die Gegend schleppen. Noch besser als der normale Cay ist Apfeltee. Der schmeckt einfach großartig. Selbstverständlich habe ich mir Teegläser und Tee mitgebracht. Laut meinem Mann sind das die hässlichsten Gläser, die unser Haus je beherbergte. Er hat Recht. Macht aber nix, der Apfeltee schmeckt aus diesen Gläsern viel besser als aus einer Tasse.


Türkischen Kaffee gibt es natürlich auch. Im Restaurant. Mit Baklava sehr empfehlenswert. Kaffee wurde aber durch Tee abgelöst, nachdem der Republikgründer Mustafa Kemal Atatürk die Türken dazu bewegte, statt importiertem Kaffee Tee zu trinken, der im Land angebaut wurde. Hat funktioniert.

8. In Istanbul gibt es doch nix zu sehen






In Istanbul gibt es wahnsinnig viel zu sehen. Istanbul war 2010 europäische Kulturhauptstadt, und das mit Recht. Die Stadt, die Europa und Asien verbindet, hat unglaublich viel zu bieten. Egal ob die großen Sehenswürdigkeiten oder nur eine Fahrt mit der Fähre durch das goldene Horn - ich habe Stunden damit zugebracht, einfach nur zu gucken und die Atmosphäre aufzunehmen. Die ist anders als in anderen europäischen und amerikanischen Städten, die ich bisher kennengelernt habe.






9. In Istanbul wird man doch nur abgezockt

Vielleicht wird man das. Ich habe es nicht erlebt. Was ich allerdings erlebt habe, waren unglaublich freundliche Menschen. Wenn wir unterwegs auf den Stadtplan geguckt haben und auch nur ansatzweise ratlos aussehen, sprach uns eigentlich immer sofort jemand an und bot uns Hilfe an. Und auch in der Straßenbahn habe ich tolle Menschen kennengelernt. Es gibt nämlich viele Einheimische, die deutsche Schulen besucht haben, hervorragend Deutsch sprechen und das gern tun. Guckt man hungrig, bekommt man manchmal sogar hervorragende Restaurantipps - ohne dass dem Tippgeber das Restaurant gehört ;-)


10. Da ist es bestimmt nicht sicher



Unsicher habe ich mich zu keinem Zeitpunkt gefühlt. Wir sind bis tief in die Nacht zu Fuß unterwegs gewesen, und zwar sowohl in der Innenstadt als auch außerhalb. Und selbst als Frau allein kann man zumindest in der Innenstadt unterwegs sein, ohne dass es irgendwie merkwürdig ist. Ganz im Gegenteil: Wenn ich sehe, dass die türkischen Jugendlichen in der U-Bahn sofort aufstehen und einen Sitzplatz alten Leuten anbieten, die hereinkommen, fühle ich mich eigentlich ganz wohl. Wobei ich leider noch nicht alt genug aussah, um einen Platz zu bekommen. Aber in zehn Jahren, da sollte das dann auch klappen.

Liebe Grüße

Fran

Kommentare

  1. Guten Morgen Fran,
    ich weiß, dass ich damit, dass ich nicht in die Türkei reisen mag, die "bestrafe", die die momentane Entwicklung nicht gut finden und es gerne anders hätten. Trotzdem schreckt mich die Willkür, die dort herrscht und ich möchte einfach verhindern, dass es mich trifft.
    Die Klischees gibt es wahrscheinlich über jedes Land und jede Stadt, da höre ich inzwischen gar nicht mehr hin und gucke lieber auf Bereichte derer, die wirklich dort waren.
    Liebe Grüße
    Andrea

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Ja, was da gerade beispielsweise mit dem Prozess von Mesale Tolu läuft, ist heftig. Die Wahrscheinlichkeit, dass es dich oder mich trifft, ist aber vermutlich verschwindend gering.

      Löschen
  2. Ich war noch nie in der Türkei und es steht derzeit auch nicht auf meiner Reise-Wunschliste... aber ich habe bereits einiges über Istanbul gehört und alle waren begeistert. Danke für den wieder sehr interessanten Bericht.
    Liebe Grüße Jacky

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Istanbul ist definitiv eine wunderschöne Stadt. Und ich war ganz sicher nicht zum letzten Mal da.

      Löschen
  3. Traumhaft schöne Bilder - ich möchte eigentlich sofort dort hinfliegen. Die Stadt hat natürlich schon reichhaltig an Geschichte und Kultur zu bieten. Und bei der Größe kannst Du wohl noch x-mal hinfahren und immer wieder was Neues entdecken. Tja, soll man als Tourist diesem Land nun aus Sicherheitsgründen fern bleiben oder nicht? Bei den Verhaftungen von Ausländern, die ich momentan im Kopf habe, war eigentlich immer ein (vermeintlicher?) Grund genannt worden (Regimekritiker, Verbindung bzw. Kontakt zu dort auf dem Index stehenden Bewegungen...). Wenn jetzt auch noch begonnen würde, willkürlich normale Touristen einzusperren, wären die Gefängnis bald proppenvoll - was ja vermutlich eh schon der Fall sein wird. Pfff. *Kopfschüttel* Die Welt war schon mal deutlich unkomplizierter. Übrigens finde ich die gezeigten Teegläser wirklich ganz hübsch. Schade, dass sie Deinem Mann nicht gefallen. Jedenfalls finde ich auch immer, dass Getränke aus dem passenden Behältnissen nochmals so gut schmecken. Man trinkt ja schließlich Wein auch nicht aus dem Bierkrug ;-)
    Liebe Grüße

    Hasi

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Was die Gründe angeht, hast du Recht. Verhaftet werden halt auch gern Journalisten mit türkischen Wurzeln. Normale Touristen - das werden die sich so schnell nicht trauen. So groß sind die Gefängnisse nicht ;-)
      Mein Mann findet vor allem die güldenen Blech-Untertassen ganz, ganz gruselig. Und die Blech-Löffelchen mit Glitzersteinchen. Männer halt.

      Löschen
  4. Byzanz - Konstantinopel- Istanbul natürlich gibts da viel zu sehen. Eine wahnsinnig alte Kultur. Ich wollte früher immer mal hinreisen, nur gerade jetzt hätte ich irgendwie keinen Spaß. Nicht dass ich Angst hätte, ich kanns ehrlich gesagt nicht beschreiben. Von diesen Vorurteilen hab ich noch nix gehört, aber die gibts doch für jede Stadt. Und wenn man dort ist ist es ganz anders. Wie mit Venedig. In Venedig stinkts! Ich war schon 5x zu verschiedenen Jahreszeiten dort und nie hats gestunken. Und ich hab eine feine Nase :)
    Danke für Deinen tollen Bericht und die Fotos und die Klarstellung. Gerne mehr davon, ich liebe das ja sehr.
    Liebe Grüße Tina ...juhu ich hab jetzt Urlaub :)

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Kann ich verstehen, dass du nicht so wirklich Spaß hättest. Ich hatte halt auch Bedenken. Aber dann sind wir doch geflogen.
      Die Vorurteile fand ich eher erheiternd. Die gibt es in der Tat über jede Stadt. Und bei Städten, die nicht unbedingt auf der obligatorischen Liste stehen, sind es einfach ein paar mehr.

      Löschen
  5. Von diesen Vorurteilen hab ich auch noch nie gehört, aber es könnte alles auch
    Brasilien sein.... ;) Es gibt viele Vorurteile und viele Klischees! Das alles ist eigentlich nicht ganz falsch, aber jeder muss ein Land und seine Leute schon selbst entdecken.
    Toller Bericht! Sschöne Fotos!
    Liebe Grüße,
    Claudia

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Ich glaube, es könnte jede Stadt außerhalb von Mitteleuropa und den USA gemeint sein. Sich seine eigene Meinung zu bilden ist immer die bessere Lösung.

      Löschen
  6. Atatürk war überhaupt ein großer und weitsichtiger Mann, die Türkei vor 50 Jahren vermutlich schon weiter "vorn", als da, wo man sich dort heute befindet.
    Ähnlich stumpfsinnige Tendenzen kann man hierzulande ja auch schon wieder ausmache.
    Danke für Deinen Bericht. LG Sunny

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. stimmt , kann ich unterschreiben . Wer es genau wissen will, einfach mal den Koran lesen .
      LG heidi

      Löschen
    2. Wie - "einfach mal" den Koran lesen...? Am Besten noch auf arabisch oder wie? Tja, diese Modebloggerinnen... tun immer ganz harmlos, und dann liegt der Koran als Bettlektüre auf dem Nachtkasten... LOL.

      Löschen
    3. Es scheint weltweit die Zeit der stumpfsinnigen Staatsoberhäupter zu sein. Da müssen wir nur über den Kanal gucken... nichtmal bis nach Washington.
      Den Koran habe ich noch nicht gelesen, mein Arabisch ist allerdings auch optimierungsfähig ;-)

      Löschen
  7. Ich war im März 2011 - allein als Frau! - in Istanbul und kann nur bestätigen, was Du schreibst. Freundliche Menschen, die einen - klar - schonmal ansprechen, aber meist auf angenehme Weise! Ist man als Deutsche ja nicht gewöhnt, bloß, weil die meisten im eigenen Land unfreundlich weggucken... :-D
    Und die Stadt ist einfach toll! Stimmt, das Flair ist schon anders, aber das kommt auch von den Muezzingesängen - das empfand ich in anderen muslimischen Städten auch.
    Zur Zeit würde ich nicht in die Türkei reisen, nicht aus Angst, aber aus Trotz. Die (andersdenkenden türkischen) Leute können nix dafür, das ist mir klar! Aber generell gilt: jederzeit wieder nach Istanbul (hoffe auf ein Wunder und Erdogan wird irgendwie abgesägt... leider halten sich diese Diktatoren meistens so verdammt lange...)
    Wunderschönes asymmetrisches Kleid! Perfekt für den "kleinen Moscheebesuch zwischendurch" da längere Ärmel, schulter- und kniebedeckt. Perfekt.
    Liebe Grüße! Maren

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Ich finde es schade, dass es hierzulande als "unangenehm" gilt, dass man fremde Menschen anspricht. Ich habe noch nie so nett mit völlig unbekannten Menschen geplaudert wie in der Istanbuler Straßenbahn. Da könnten wir uns eine große Scheibe abschneiden. Andere muslimische Städte kenne ich nicht, muss ich leider zugeben. Wird vielleicht Zeit, sie kennenzulernen. Ich liebäugle gerade mit Marrakech.
      Moscheebesuch ist leider "nur" mit langen Ärmeln, Knien und Schulter bedeckt nicht mehr drin. Haare müssen auch weg. Deshalb habe ich drauf verzichtet.

      Löschen
  8. Das sind so tolle Bilder, Fran! Ich werde diese Stadt auf jeden Fall noch mal besuchen. Von wegen nix anzuschauen. Wir waren vier Tage dort und haben nur einen Bruchteil gesehen. Von vier Tagen hat es drei geregnet und ich war trotzdem ganz begeistert von Istanbul. Mir wurde unaufgefordert ein Schirm angeboten, als ich in einem Laden neben dem Hotel eine Kleinigkeit kaufte. Sie bestanden darauf, dass ich nicht ohne den Laden verlasse. Abends hab ich ihn zurückgebracht. Beinahe wäre ich auf den Schuhputztrick reingefallen, hab mich aber noch rechtzeitig an meinen gesunden Menschenverstand erinnert und den Betrüger stehen lassen. Kennst Du den Trick? Ein Schuhputzer besteht darauf, Dir die staubigen Ballerinas zu putzen, kostenlos selbstverständlich, weil Du so doch nicht rumlaufen kannst. Es ist reine Nächstenliebe. Du willst keine geputzten Schuhe, aber unfreundlich sein willst Du noch weniger. Also läßt Du putzen. Lobst das Ergebnis. Zückst Dein portemonnaie wegen eines Trinkgeldes zumindest. Kramst einen Betrag raus, der etwa 3 Euro entspricht und erntest eine Wortsalve - zum Glück unverständlich - herauszuhören ist nur, dass Du den armen Mann und seine unmündigen Kinder um ihr Auskommen bringst.
    Ich hab mich mit einer Wortsalve in Deutsch und Englisch revanchiert, an Lautstärke gleichgezogen, den Betrag auf ca. 5 Euro erhöht und den Schauplatz verlassen. Im nachhinhein war's eine Urlaubsstory, die uns heute noch erheitert.
    LG Sabine

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Ich glaube, man kann da wochenlang sein und immer wieder neue Dinge entdecken. Bei Sonne ist die Stadt noch viel schöner als bei Regen. Sagt zumindest mein Mann, der kannte Istanbul nämlich bereits, aber eben auch nur bei Regen.
      Die Sache mit dem Schuhputzer habe ich mir nicht gegeben. Die haben wohl ein ganz neues Vorgehen: Sie verlieren eine ihrer Bürsten und wenn du sie aufhebst und sie hinterherträgst, entkommst du ihnen nur mit geputzten Schuhen. Da an meinen Sneakers nicht viel zu retten war, habe ich dankend verzichtet. Eure Story ist großartig :-) Vielleicht hätte ich doch eine Bürste aufheben sollen... *grins*

      Löschen

Kommentar veröffentlichen

Dieser Blog ist mit Blogspot, einem Googleprodukt, erstellt und wird von Google gehostet. Es gelten die Datenschutzerklärung & Nutzungsbedingungen für Googleprodukte.

Wenn Du die Kommentare zu diesem Beitrag durch Setzen des Häkchens abonnierst, informiert Dich Google jeweils durch eine Mail an die in Deinem Googleprofil hinterlegte Mail-Adresse.
Durch Entfernen des Hakens löscht Du Dein Abbonement und es wird Dir eine entsprechende Vollzugsnachricht angezeigt. Du hast aber auch die Möglichkeit Dich in der Mail, die Dich über einen neuen Kommentar informiert, über einen deutlichen Link wieder abzumelden.

Beliebte Posts aus diesem Blog

Weimar in grün mit 40 Jahren Verspätung

Von Optimismus und warum er manchen Menschen schwer fällt

Kleiderstange: Jeans. Und der tagesaktuelle Wetterbericht ;-)