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Anleitung zum Glücklichsein

 



Wir haben Freitagabend, das Wochenende naht und ich habe mich heute über einen Kollegen geärgert, der mir seit 14.30 Uhr auf die Nerven ging, weil er ins Wochenende wollte. Er nölte und meckerte, als wenn er`s bezahlt kriegte. Hallo? Wir sind keine Behörde, sondern eine Tageszeitung. Da ist es völlig normal, dass man eben NICHT um 15 Uhr Feierabend hat. Selbst an einem Freitag nicht. Gerade an einem Freitag nicht.


Ich war also furchtbar genervt . An einem Freitag! Ausgerechnet. Weil freitags doch die ganze Welt glücklich zu sein hat. Zumindest auf Instagram sind gefühlt alle, die auch nur ein halbwegs tauglicher Influencer werden will, total glücklich. Die haben es einfach raus. Die ärgern sich vermutlich auch nicht über einen Kollegen, der einem so lange vollnölt, bis man ihn irgendwann aus dem Büro wirft, nur damit man endlich seine Ruhe hat. Und weil diese Influencer es echt raus haben, total glücklich durch jeden beliebigen Tag und vor allem durch den Freitag zu gehen, mache ich das jetzt genauso :-)


Das ist ganz einfach, denn weil diese Influencer ja den ganzen Tag lang voll glücklich sind, geben sie ihr Wissen darum, wie das funktioniert, selbstverständlich gern weiter. Wir sind ja im Internet und in den sozialen Medien eine liebende, große Familie und da spart man nicht mit Geheimtipps für irgendwas. Schon gar nicht fürs Glücklichsein.


Als Schritt eins habe ich mir dann die Sache mit dem Dankbarkeits-Tagebuch vorgenommen. Ich schreibe einfach jeden Abend drei Dinge auf, für die ich wahnsinnig dankbar bin. Und dann merke ich spätestens an Tag drei, dass ich ein vor Glück strotzender Mensch bin. 


Blöd nur: Ich habe kein passendes Notizbuch. Natürlich könnte man seine Dankbarkeits-Liste auch in die Notizen-Funktion des Handys hacken. Aber bitte: Wer will sowas? Ein Dankbarkeits-Notizbuch sollte es schon sein. Eines mit einem Einband, der einem ein Lächeln ins Gesicht zaubert. Soviel Engagement muss sein.


Weil ich wegen des Wochenend-Nölers leider länger arbeiten musste, waren die Läden längst geschlossen. Da ist guter Rat teuer. Entweder ich opfere jetzt meinen Samstag, an dem ich eigentlich ans Meer fahren wollte, der Suche nach einem Notizbuch oder ich habe ein Problem. Weil meine Lieblings-Influencer aber ja nicht umsonst meine Lieblings-Influencer sind, haben die selbstverständlich ein paar Affiliate-Links vorbereitet, unter denen ich ein wunderschönes Notizbuch bestellen kann. Mach ich, selbstverständlich. Und weil so ein Influencer ja nicht von Luft und Liebe lebt und mir helfen will, glücklich zu werden, nehme ich das kostspieligste Exemplar, das ich finde. Damit zeige ich außerdem, wie sehr ich mich selbst wertschätze. Ok, da das Notizbuch in Myanmar handgeklöppelt wird, muss ich ein wenig darauf warten, aber ist Vorfreude nicht die schönste Freude?


Die Wartezeit auf das weltschönste Notizbuch nutze ich, indem ich einen Kalligrafie-Kurs belege. Denn wer wird denn so nachlässig sein, in seiner nachlässigen Kritzelschrift in das wertvolle Dankbarkeits-Tagebuch zu schreiben? Ich ganz sicher nicht! Da kann man seine Dankbarkeit ja gar nicht richtig zum Ausdruck bringen! Deshalb buche ich fix den Kalligrafie-Online-Kurs, den mein Lieblings-Influencer gerade anbietete, weil er ja genau weiß, was seine Fans wollen.


Leider stellt sich sehr schnell heraus, dass meine Talente definitiv nicht im Bereich der Schönschrift liegen. Da kann selbst der dollste Kurs nix dran ändern. Aber immerhin bekomme ich den Tipp, zu mir und meiner kritzeligen Handschrift zu stehen - da hat sich der teure Kurs doch gelohnt! Kein Lettering-Shaming mehr! Dafür bin ich zutiefst dankbar. Stellt euch vor: Ich darf in mein Dankbarkeits-Notizbuch kritzeln und keine Gottheit verdunkelt den  Himmel und lässt es tagelang regnen! Ach, schön ist das. Auch wenn's trotzdem regnet.


Nur wenige Wochen später trudelt es endlich ein, das langersehnte Notizbuch. Leider war die Lieferzeit so lang, dass der Dankbarkeits-Notizbuch-Hype inzwischen spurlos aus den sozialen Medien verschwunden ist. Egal. Ich versuche es trotzdem. Aber irgendwie ist es nicht dasselbe, wenn beim morgendlichen Blick auf Instagram keiner meiner Lieblings-Influencer mehr die Einträge in wunderschöner Schrift in wunderschönen Notizbüchern zeigt,


Die haben nämlich jetzt alle mit Meditation angefangen. Morgens und abends zu meditieren hat scheinbar einen noch größeren Glücks-Effekt als so ein Dankbarkeits-Tagebuch. Mist. Diesmal nehme ich mir vor, schneller auf den Zug aufzuspringen. Aber da ist schon wieder eine Hürde! Zum Meditieren braucht man Meditations-Loungewear und mindestens eine sündteure Duftkerze! Und letztere hat Lieferzeiten von hier bis Madagaskar. Was tun?


Ich nehme mir einfach ein Herz, warte nicht auf die Ankunft der Duftkerze und teile meinem Nöle-Kollegen am Donnerstagmittag einfach mit, dass er am Freitag gern um 15 Uhr gehen kann, wenn er die Vorproduktion für die Montagsausgabe übernimmt. Dafür muss er dann zwar schon um 8 Uhr am Platz sitzen, aber das soll nicht mein Problem sein. Und wisst ihr was? Es klappt. Jetzt habe ich nicht nur mich selbst glücklich gemacht, weil ich fortan am Freitag ganz entspannt weiterarbeiten kann, sondern auch ihn.


Ich sollte Influencer werden :-)


So, und weil ihr so lange durchgehalten habt, gibt es jetzt noch Fran in Bermudas am Meer. Da ist sie nämlich unverschämt glücklich. Einfach so. Das ist vielleicht ein bisschen zu einfach, aber einfach finde ich total richtig.






Liebe Grüße

Fran

Kommentare

  1. Liebe Fran,
    ich bin zwar kein influencer, aber ein Dankbarkeitsschreiber. In meiner Schrift. Dafür mit Füller. Ich habe ein schnödes vorgedrucktes (leider nicht günstiges) 6-Minuten Tagebuch, weil ich Lettering mag, aber nur gering beherrsche. Dieses Tagebuch ist ein Geschenk unserer Kinder und ich mag es. Besonders an gerade solchen Tagen, wo einen jemand annölt. Denn ich schreibe mit der Hand, ich denke nach, merke, dass alles sooo schlimm nicht ist und freue mich. Das hat mir aber kein Influencer gezeigt.
    Das war Zufall mit diesem Buch.
    Und Meditieren mag ich nach dem Yoga- ohne stylishe Klamotte (die ich aber mögen würde, wegen Geiz aber nicht habe) und ich mag das und schlafe dabei auch mal ein. Aber auch, weil ich es mag.
    Und am Meer- da bin ich wie du- meditativ, glücklich und kann das weder in Atmen noch in Worte fassen. Da fühle ich nur.

    Hab eine schöne Woche und liebe Grüße
    Nicole

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    1. Ich wollte niemandem zu nahe treten. Ich finds klasse, wenn diese Methode jemandem hilft, sein Leben schöner zu gestalten. Die Sache mit dem Lettering kommt für mich eh zu spät ;-) Mehr als 20 Jahre Lokaljournalismus mit Block und Kuli haben meine Schrift auf immer verdorben. Das wird nix mehr, auch nicht mit zehn Workshops...

      Mit der pauschalen Empfehlung des Dankbarkeits-Tagebuches als garantierten "Weg zum Glück" habe ich aber tatsächlich meine Probleme. Es gibt jede Menge Menschen, für die dieser Weg keiner ist. Für die es eben auch nach dem Schreiben das Leben noch schlimm ist. Aus einer Depression etwa kommt man mit einem so billigen Trick in der Regel nicht raus. Vielleicht bin ich da aber, geprägt von eigenen Erfahrungen und Psychologen-Kind einfach sehr kritisch und empfehle eher bei wirklichen Problemen einen Therapeuten, der weiß, was er tut. Keinen selbsternannten Life-Coach...

      Erwähnte ich eigentlich mal meine erste Begegnung mit Meditation? Es war auf der Studienfahrt in der Jahrgangsstufe 13 mit dem Deutsch-Leistungskurs. Unser Lehrer stand auf frisch geschrotetes Müsli am Morgen und Meditation am Abend und wir mussten notgedrungen mitmachen. Das Müsli war sehr unlecker und am Ende der Meditation schliefen bis auf zwei alle Schüler. Unser Lehrer war ein wenig ungehalten ;-)

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    2. Hi,
      ich sehe das wie du: Bei echten Problemen holft es in der Tat natürlich nicht. Aber viele haben echt immer noch ein Therapeutenhemmnis. Gerade im Freundeskreis wieder erlebt.

      Aber wenn man 'nörgelig' veranlagt ist oder es einfach schön mag, dann ist das nicht die schlechteste Methode..

      Staubtrockenes Müsli wie overnightoats mag ich nicht. Nur leckeres Müsli und gutes Essen.

      Und ich weiß, welchen Lehrertypus du meinst, haha..

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    3. Was zur Hölle finden die Menschen eigentlich schlimm an Therapeuten? Bei Zahnschmerzen gehe ich zum Zahnarzt. Bei Rückenschmerzen zum Orthopäden und wenn mein Geist leidet, zum Therapeuten. Punkt. Ok, es gibt davon zu wenige und es ist höllisch schwierig, einen Termin zu bekommen. Aber das sollte einem es wert sein...
      Und was ich noch weniger verstehe: Warum geht man lieber zu einem selbsternannten Coach? DAS ist nämlich nix Peinliches. Das ist hip. Ach, erklär mir einer die Menschen ;-)

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  2. Ach Fran köstlich zu lesen 😂 Den Montag Morgen hast Du mir schon mal versüßt. Ich wollte gar nicht wissen wieviele Menschen, außer Dir 😂😬, so influenct werden. Aber nun gut. Also dieser Spitzenhoody ist ja mal der Hammer. Wie für Dich gemacht. Schön dass Du es noch ans Meer geschafft hast, trotz quengelndem Kollegen.... und ständigem Regen. Ich hab grad gelesen der Sommer kommt! ☺️
    Liebe Grüße Tina

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    1. Ich bin sowas von froh, dass ich nur eine Stunde fahre und am Meer bin. Auch wenn es im Moment mächtig voll dort ist. Aber es gibt noch ein paar Ecken, an denen hat man seine Ruhe :-)

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  3. Influencer oder nicht, dein Look ist mir sofort ins Auge gefallen, liebe Fran! Ich liebe deinen coolen Statement Kapuze-Sweatshirt und die Kombi mit dem Bermuda ist wirklich ein Hingucker! Und die Fotos am Meer, mit strahlend blauem Himmel und Sonne satt sind unverschämt gut….. und du siehst unverschämt gut aus!
    Liebe Grüße,
    Claudia

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  4. Weder Dankbarkeits-Tagebuch, noch Meditation. Ich brauche einfach meinen Mittagsschlaf, um glücklich zu sein. Das Meer macht mich auch glücklich.

    Deinen Hoodie finde ich klasse oder eher gesagt spitze.

    Liebe Grüße Sabine

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    1. Boah, Mittagsschlaf! Ich bin gerade dezent neidisch. Den liebe ich, aber das schaffe ich nur, wenn ich Urlaub habe....

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  5. Du solltest stylischer Glückscoach werden. Kann man bestimmt ne Menge verdienen und dafür angemessen dankbar sein. Natürlich schriftlich dokumentiert. Aber nur mal ganz kurz:
    Du musst dann bitte in der Neuzeit ankommen und einen Video-Dankbarkeits-Notizblock füllen, dann a) kann keine Sau (so glücklich sie auch sein mag) seine eigene Schrift nach 1 Tag noch lesen, b) soll das Ganze doch wohl nachvollziehbar für die ganze Social Media Gemeinde sein. Wie willst Du denn sonst bitteschön Deine Dankbarkeit teilen, Du Egoistin.
    Und überhaupt...
    Mit Dir schreibe ich doch gar nicht mehr...
    ....aber auch nicht weniger....

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    1. LOL, ich tauge nicht zum stylischen Glückscoach. Eventuell zum Glückskeks ;-)
      Das tägliche Dankbarkeits-Notizbuch ist klasse. DAS könnte meine neue Passion bei Instagram werden... Damit es dann auch anständig glücklich klingt, fange ich im Urlaub an. Jawoll. Ein brillanter Plan. Sollte ich reich werden, kriegst du die Hälfte ab!

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  6. Ist wohl der Vorteil als Chef. Vor mir nölt und nörgelt keiner. Hehe.
    Aber bei uns endet die Kernzeit Freitags auch um 12h. Vielleicht solltest Du dem Kollegen beim nächsten Disput anraten, den Job zu wechseln. Veilleicht ist in der Zentralredaktion der städtischen Intranetseite ja noch eine Stelle frei.
    BG Sunny

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