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Wer wertet hier wen oder was auf?




Als ich gestern früh den Post von Tina über hochpreisige Labels und Qualität las, kam ich quasi aus dem Kopfnicken gar nicht mehr raus. Falls ihr ihn noch nicht gelesen habt, hüpft mal rüber!

Ich mache mir nämlich genau wie Tina gerne mal Gedanken. In der Regel nicht über Mode - da bin ich recht ahnungslos ;-) Dafür mache ich mir unglaublich gern Gedanken über Menschen. Und hoffe, dass ich da nicht ganz so ahnungslos bin…


Um zu Tina zurückzukommen: Ein hoher Preis garantiert nicht unbedingt hochwertige Materialien. Und ein günstiger Preis steht nicht für billige Materialien. Ich denke mal, das kann man so stehenlassen. Etwas, an dem ein berrühmtes Label klebt, ist nicht automatisch von außerordentlicher Qualität und nicht jedes Kleidungsstück von einer günstigen Kette muss man nach zweimaligem Waschen entsorgen. Ausnahmen bestätigen wie immer die Regel.


Was ich mich aber dann doch frage ist, warum Menschen für den von Tina gezeigten Blazer aus Polyester-Gaze - also einer Chemiefaser - mehr als 2000 Euro ausgeben. Und das in einer Zeit, in der Chemiefaser immer mehr zum No-go wird. Ok, die Frage ist rhetorisch. Die Antwort ist klar: Es klebt das Label Gucci dran. Und je prominenter es zu sehen ist, desto mehr Menschen werden sehnsüchtig gucken.


Aber warum eigentlich? Vermutlich hat das mit meinem allerliebsten Lieblings-Bullshit-Bingo-Satz zu tun: „XY (setze hier wahlweise Schuhe, Tasche, Gürtel, irgendwas mit Logo) wertet das Outfit auf“. Und auch wenn es niemand zugeben mag, aber ich vermute heftig, dass eigentlich gemeint ist: „XY wertet Dich auf“.


Habt ihr schonmal gelesen, dass Schuhe, Taschen oder Gürtel, die erkennbar nicht einem großen Label entstammen, irgendetwas aufwerten? Nein, vermutlich nicht. Nicht einmal dann, wenn die Schuhe, Taschen oder Gürtel wirklich wunderschön sind. Dann sind sie zwar schön. Aber aufwerten tun sie nix. Um aufzuwerten, müssen sie einen Wert haben. Und den muss man bitte einige Hundert Meter gegen den Wind erkennen können. Das geht nun mal am besten mit einem gut erkennbaren Logo oder einem Signature Style - Hermes lässt grüßen.


Nächste Frage: Warum ist es so wichtig, uns (oder eben unser Outfit) aufzuwerten? Warum gibt es vielen Menschen ein besseres Gefühl, mit einem aufwertenden Kleidungsstück durch die Welt zu marschieren als mit einem, das man einfach nur gern hat, das aber nicht besonders teuer war und auch nicht von einem Designerlabel stammt? Warum muss ich etwas aufwerten, das mir eigentlich unendlich wertvoll sein müsste, nämlich mich selbst? Reiche ich allein nicht aus? Muss ein Label dran kleben?


Ich habe ja schon kürzlich erzählt, dass ich mir, um herauszufinden, wie sich das anfühlt, vor einiger Zeit eine Chanel-Tasche gekauft habe. Allerdings eine ohne erkennbares Logo. Denn das wäre mir doch zu peinlich gewesen. Und ja, die Tasche ist vermutlich unglaublich gut verarbeitet und das Leder ist bestimmt ganz toll. Aber für mich habe ich festgestellt, dass mir das einfach nix gibt. Diese Tasche wertet mich vielleicht in den Augen von Menschen, die auf Designerlabels stehen, auf. Vielleicht habe ich auch genau das bezweckt. Denn als ich die Tasche gekauft habe, war ich im Endspurt in Richtung Burnout. Und der ist bekanntlich nicht unbedingt mit einem überbordenden Selbstwert verbunden.


Aber wisst ihr was? In den Augen der Menschen, die ich mag, muss ich mich nicht aufwerten. Die lieben mich nämlich genauso wie ich bin und gucken allerhöchstens ein bisschen verstört, wenn ich versuche, mich mit einer Tasche aufzuwerten. Oder eben, weil ich natürlich nicht zugeben kann, dass ich mich aufwerten möchte, ebendas mit meinem Outfit zu tun ;-)


Und inzwischen ist der Burnout Geschichte und meinem Selbstwert geht es hervorragend. Vielleicht bin ich genau deswegen ein wenig uneins mit dieser Tasche: Ich brauche sie nicht. Oder eben nicht mehr.


Wäre es nicht schön, wenn es uns allen so ginge? Wenn wir einfach nichts brauchen, um uns aufzuwerten, außer uns selbst? Denn wir sind wertvoll. Jeder einzelne von uns. Du auch.


Liebe Grüße

Fran


P.S. Beim nächsten Anfall kaufe ich übrigens keine Tasche, sondern Aktien eines französischen Luxuskonzerns. Von wegen Tasche als Wertanlage: Die Aktien haben ihren Wert in den vergangenen fünf Jahren mehr als verdreifacht. Da kommt kein Täschchen mit.



Kommentare

  1. Ja, über die Aktien sollte man ernsthaft nachdenken. Dann würde man wenigstens an der dummen Statussucht der anderen verdienen.

    Wertige Kleidung hat für mich etwas mit Respekt vor mir selbst zu tun. Der Satz "weil ich es mir wert bin" ist zwar abgenudelt, aber da ist was dran. Dabei geht es mir bekanntermaßen nicht um Marken, erst recht nicht nicht sofort erkennbare Marken, sondern um Qualität und Zustand der Kleidung. Für mich sieht jemand gepflegter aus in heilen, genutzten Lederschuhen als in zerschraddelten, dreckigen Stoffturnschuhen.

    Es ist ein Unterschied, ob jemand mangelndes Ego mit Marken zu ersetzen versucht oder in sich ruht und die Muße hat, das nach außen gepflegt zu verpacken.

    Was den Preis des Gucci-Plastikblazers angeht, wundert mich gar nichts mehr. Es gibt ja auch Deppen, die Plastiklatschen für 300 Euro kaufen oder Ugly Sneaker (der Name sagt alles) für 1000 Euro. Ich wüsste gerne mal, wie sehr die Preisabteilung feixt, wenn überlegt wird, wie sehr man die Kundschaft mit dem Billozeug wohl abzocken kann. Wobei ich über die Blazer von Gucci eins ernsthaft sagen kann: Die haben einen erstklassigen Schnitt. Das ist immer noch oft der Unterschied zu H&M & Co, denn damit tun die sich selten positiv hervor.

    Aber natürlich kaufe ich das Zeug trotzdem nicht - unabhängig vom Material. Ich hätte vor zwei Jahren einen Chanelblazer bekommen können (neu). Habe ich dankend abgelehnt. Habe mir lieber fair gefertigte Halbschuhe aus Deutschland schenken lassen, an denen ich seitdem bei jedem Tragen Freude habe, deren Label man nicht erkennt. Denn die passen wirklich zu mir.

    Einen schönen Tag wünscht Dir
    Ines

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  2. Mir geht es so irgendwie wie Ines. Ich will es mir wert sein, das gute Material, aber da gehört Polyestergaze nicht dazu. 😊 Deshalb fand ich das so schlimm. Preis 2400 Euro und dann die Materialwahl.
    Zum Look Aufwerten, da hast Du schon recht. Das ist so ein gängiger Ausdruck. Eigentlich sollen wir uns vor anderen nicht aufwerten müssen, durch bestimmte Labels. Müssen wir auch nicht. Allerdings ist wohl das Umfeld schuld, sagen wir mal nicht das private Umfeld, sondern das geschäftliche Umfeld ist im Verhalten tatsächlich oft anders, wenn Du offensichtlich kaufkräftig wirkst. Das habe ich leider schon so erlebt. Völlig unterschiedlich wurden wir behandelt und bedient. Das hängt wohl in den Köpfen der Menschen. Dass das Konto für die LV Tasche grad leer geräumt war, wussten die nicht. Über die tatsächliche Kaufkraft sagt das „Label Gewedle“ nix aus. Wollte nicht wissen wie oft Verkäufer darauf reinfallen.
    Was sie denken, wenn ich mit meinem Elefant, Dem Regenbogen, dem Hund oder dem Fisch komme wüsste ich gern. 😂 Auf IT Bags stehe ich meist erst wenn sie keiner mehr will und sie im Sale landen. Wie die Karo Pierce Bag. 🤭
    Aber das kann ich mir locker erlauben. So wie Du keine Chanel Tasche brauchst um Dich super zu fühlen. Was machst Du jetzt damit? Verkaufen und in Aktien investieren? Meine beiden neu gekauften LV Taschen stehen im Schrank, gut mehr Wert als beim Kauf von vor 12-13 Jahren. Aber ich verkaufe sie nicht, weil sie mir noch gefallen. Die lila Artsy liebe ich, die muss mal wieder raus. Ber das liegt daran, dass ich Lila Liebe. 😁 Ich schweife ab. Ich finde auch wir alle sind wertvoll und eine besondere Ausstrahlung können wir erreichen, in dem wir uns mit uns wohl fühlen und Wohlfühlsachen tragen. Was immer das für den jeweiligen Menschen ist, günstig oder teuer. Wer sich verkleidet fühlt strahlt das aus. Ganz wichtig für mich sind Manieren und Freundlichkeit. Das ist für mich das aller allerbeste Accessoire.
    Danke Fran für den Link und die weiteren guten Gedanken zum Thema.
    Liebe Grüße Tina

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  3. "Wäre es nicht schön, wenn es uns allen so ginge? Wenn wir einfach nichts brauchen, um uns aufzuwerten, außer uns selbst? Denn wir sind wertvoll. Jeder einzelne von uns. Du auch." - ja, Fran, das WÄRE schön! Aber du weißt, dass es in der Welt nicht so ist, dass Menschen nicht einfach morgens aufwachen und sagen: ich bin mir meiner Selbst bewusst und brauche keine Guccitasche. Oder den neusten Plasma-TV, das schnittige Auto... etc. ich kann nur immer wieder mantraartig runterbeten, dass es auch ein Privileg ist, es sich leisten zu können, keine Markennamen zu brauchen. Ich bin dankbar dafür, es nicht zu brauchen. Aber so richtig bedürftige Menschen gibt es genug (meine Klientel!), die sich abgewertet fühlen, die halt nicht das Rüstzeug besitzen, um "von allein" wertvoll zu sein. Weißt du, so viele Gucci- oder Chaneltaschen werden gar nicht produziert, wie gebraucht würden, um sich aufzuwerten. Wie gesagt, es ist nicht unbedingt eine Leistung, es ist ein Privileg, z.B. eine gute (Aus-)Bildung zu haben.
    Spannendes Thema!
    Liebe Grüße, Maren

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  4. Sehr schön auf den Punkt gebracht. Ich würde mich freuen, wenn Du den Beitrag mit einem kleinen Vermerk am Sonntag bei der anstehenden ü30Blogger Bloggeraktion zum Thema "vollkommen überbewertet" verlinken würdest. Würde perfekt passen.
    BG Sunny

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  5. Ich bekenne: Es gibt Marken, da hatte ich lange den 'Traum' etwas von ihnen zu besitzen. Einen Trenchcoat mit kariertem Futter etwa. Aber der Preis ist es mir nicht wert. Und ich mir auch nicht, da ich nicht nur in diem Teil herumlaufe.

    Mir gefällt gute Qualität, große Markenlabel gefallen mir nicht. Darum habe ich einmal eine traumschöne Sandale nicht gekauft, weil der Markenname einfach zu fett draufstand.

    Bei Taschen mag ich Qualität, schöne Kauferlebnisse und ggf. guten Service. Das gibt es aber alles auch schon unterhalb von den Cs Lvs und Vs.

    Dennoch verstehe ich dich mit der Tasche und auch ein solches Erlebnis gehört zum Leben dazu. Verkaufe sie und gönne dir ein Nach-Burnout Teil, dass dich immer daran erinnert, dass du es geschafft hast.

    Ich kaufe mir gern schöne Sachen, die auch Qualität haben. Die Marke ist dabei fast egal. Allerdings gehört dazu das Geständnis, dass ich durchaus bestimmte Labels bevorzuge und dort zuerst schaue. Aber ich lasse mich auch gern überraschen. Was ich mir wirklich wünsche sind gute Passform, gute Materialien, tragbare kombinierbare Sachen- sehr gern im mittleren Segment.
    Wobei- meine Jeansjacke eines schwedischen Labels, die ein totaler Frostnotkauf war, hält sich hier wacker in bester Verfassung seit nunmehr fast 10 Jahren.

    Liebe Grüße
    Nicole

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