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Diagnose Burnout: Wer hilft, wenn Stress krank macht?



Irgendwann ist das Stresslevel so hoch, dass man allein damit nicht mehr fertig wird. Da helfen drei Wochen Urlaub nicht, da hilft kein Sport und da hllft auch keine noch so gesunde Ernährung. Blöderweise merkt man häufig im Vorfeld gar nicht, dass das der Fall ist - oder man will es nicht merken. Weil man sich ja für wahnsinnig belastbar hält und „das“ auch noch schafft.


Wann braucht man denn professionelle Hilfe?


Ich definiere in diesem Fall mal als „professionelle Hilfe“ jeden, der euch helfen kann, wenn ihr schon tief im Stress-Struggle steckt. Wenn ihr am Rande eines Burnout, in einer Form von Angsterkrankung oder in einer depressiven Episode angekommen seid. 


Und auch wenn ich aus eigener Erfahrung weiß, dass man sie liebend gern übersieht, hätte ich ein paar Warnzeichen für euch. Wenn ihr die bemerkt, solltet ihr vielleicht doch erwägen, euch professionelle Hilfe zu suchen:


  • Wenn eure Kraft gerade noch einmal ausreicht, um euren Job irgendwie zu machen. Vermutlich nicht so gut wie ihr es gewohnt seid. Aber irgendwie geht noch ein bisschen was.
  • Wenn ihr außerhalb des Jobs eigentlich gar nix mehr schafft. Wenn alles, was da noch so ist - von Treffen mit Freunden bis zum Haushalt oder Freizeitvergnügen - euch nur noch wie eine weitere Last vorkommt.
  • Wenn ein falsches Wort oder ein klingelndes Telefon ausreicht, um euch zum weinen zu bringen, weil ihr das Gefühl habt, in diesem Moment geht gar nichts mehr.
  • Wenn ihr nicht mehr vernünftig schlafen könnt, weil sich ewig das Gedankenkarussell dreht.
  • Wenn euch der Job aggressiv macht, ihr über die Arbeit, Kollegen oder Vorgesetzte nur noch schimpfen könnt.
  • Wenn ihr plötzlich Angst habt, an eurem Arbeitsplatz zu versagen.
  • Wenn ihr selbst am Wochenende nicht mehr runterkommt und auch ein paar Tage Urlaub nicht ausreichen, um euch wieder Energie zu geben.


Das sind nur einige Beispiele für Symptome, die euch eigentlich vermitteln wollen, dass nichts mehr geht. Und wenn die nur stark genug sind, landet man beim Hausarzt.. Die meisten Hausärzte sind zwar nicht unbedingt spezialisiert auf psychische Erkrankungen, aber wenn ihr die Gelegenheit ergreift, wahrheitsgemäß zu erzählen, wie es euch geht - und ja, das ist unangenehm und niemand gibt das gern zu - dann wird euch vermutlich nahegelegt, einen Termin bei einem Psychiater zu machen.


Ich bekam in erster Linie Schnappatmung, als mir meine Hausärztin das sagte. Und habe es trotzdem gemacht. Obwohl mir der Gedanke an einen Psychiater mehr als fern war. Das war doch eine Anlaufstelle für Verrückte. Also bitte - nicht für mich. Ihr seht, ich kann ganz schön verbohrt sein.


So, ist ein Psychiater nun der Weisheit letzter Schluss? Nö. Er ist nur ein Schritt auf einem ziemlich langen Weg. Ich hatte das Glück, in einer psychiatrischen Institutsambulanz zu landen. Das ist die Ambulanz einer psychiatrischen Klinik und die gibt es eigentlich überall und die sind per Google zu finden. Dort gibt es sowohl Psychiater als auch Psychologen und Psychotherapeuten. Und da geht es schon los. Wer macht denn nun was?


Therapeut? Arzt? Psychiater? Wer macht und kann denn nun was?


Ein Psychiater ist ein Facharzt für psychische Erkrankungen - also jemand, der Medizin studiert hat - und der unter anderem für die Medikation verantwortlich ist. Nur ein Arzt kann euch Medikamente, also im Bedarfsfall beispielsweise Antidepressiva, verschreiben. Ein Psychotherapeut verschreibt keine Medikamente.


Außerdem ist ein Psychiater eben für alle medizinischen Belange eurer Behandlung zuständig. Und für ein eventuelle Krankschreibung. Beim Psychiater ist es übrigens wie bei allen Fachärzten: Es kann dauern, bis man einen Termin bekommt. In einer Ambulanz geht das in der Regel sehr schnell.


Dann gibt es approbierte Psychotherapeuten. Das sind entweder Ärzte, in der Regel mit Facharztausbildung, oder Psychologen mit Master (oder nach alter Studienordnung mit Diplom), die jeweils zusätzlich eine in der Regel mehrjährige Therapeutenausbildung absolviert haben. Die „Langform“ ist: Psychologischer Psychotherapeut für alle, die vor der Psychotherapeutenausbildung Psychologie studiert haben. Ärzte, die eine Psychotherapieausbildung durchlaufen haben, sind ärztliche/psychiatrische Psychotherapeuten. Ansonsten darf sich in Deutschland niemand Psychotherapeut nennen. Der Begriff ist geschützt.


Gesetzliche Krankenkassen bezahlen übrigens nahezu ausschließlich eine ambulante Psychotherapien bei psychologischen oder ärztlichen Psychotherapeuten, die einen Kassensitz haben. Davon gibt es, das weiß wohl inzwischen jeder, viel zu wenige. Aber das soll ausnahmsweise nicht Thema sein.


Psychotherapeutisch tätig werden dürfen neben psychologischen und ärztlichen Psychotherapeuten lediglich Heilpraktiker für Psychotherapie. Nur diese Gruppen besitzen eine sogenannte Heilerlaubnis. Und wer keine Heilerlaubnis hat, der darf eben auch nicht therapieren. Wobei der pure Begriff „Therapeut“ wiederum nicht geschützt ist. So darf sich jeder nennen, der gerade Lust dazu hat.


Heilpraktiker für Psychotherapie behandeln nicht alle psychischen Erkrankungen. Viele psychische Erkrankungen wie etwa Psychosen oder Abhängigkeiten dürfen sie nicht therapieren, die bleiben Psychotherapeuten vorbehalten. Viele Erkrankungen aus dem Feld der Neurotischen Erkrankungen dürfen Heilpraktiker therapieren, vorausgesetzt, sie haben zusätzlich zur Heilpraktikerüberprüfung ein entsprechendes Therapieverfahren erlernt.


Wer darf denn nun was?


Mit psychisch erkrankten Menschen dürfen in Deutschland genau zwei Berufsgruppen arbeiten. Approbierte Psychotherapeuten und Heilpraktiker für Psychotherapie.


Das heißt im Klartext aber auch, dass beispielsweise Psychologen, die zwar einen Master, aber eben keine psychotherapeutische Ausbildung haben, eben genau nicht mit erkrankten Menschen arbeiten dürfen. Verboten ist das auch für Coaches, Trainer und wie sie sonst so heißen. Psychologen, Coaches und Co dürfen also nur mit hundertprozentig gesunden Menschen arbeiten.


Ehrlich gesagt frage ich mich relativ häufig, wenn mir in den sozialen Medien die einschlägige Werbung begegnet, ob Coaches und Psychologen ohne weitere Ausbildung überhaupt wissen, dass sie nur mit kerngesunden Menschen arbeiten dürfen, dass sie logischerweise auch keine Therapie anbieten dürfen. Oder ob sie die geltende Gesetzeslage einfach ignorieren. Aber letztendlich darf mir das auch egal sein.


Als Patient sollte einem das aber eben nicht egal sein. Wenn ihr über eine Psychotherapie nachdenkt, dann achtet bitte genau auf die Qualifikation des Therapeuten. Die ist zwar keine hundertprozentige Garantie für eine gute Psychotherapie, aber sie garantiert immerhin, dass der Psychotherapeut weiß, was er tut.


Genau deshalb habe ich übrigens ein Jahr harter Arbeit für den Heilpraktiker investiert. Klar ist es in vielen Fällen wesentlich günstiger und wesentlich bequemer, eine Coaching-Ausbildung ohne monatelanges Lernen und ohne eine nervenaufreibende Prüfung zu machen. Verlockend war das schon….


Versteht mich nicht falsch: Es gibt ganz sicher viele tolle Coaches, die einen großartigen Job machen. Aber wenn es um Patienten geht, die tatsächlich unter einer psychischen Erkrankung leiden - und das sind Depressionen oder ein Burnout oder auch Stresserkrankungen - dann ist es mir wichtig, dass die in kompetente Hände gelangen. Ein Heilpraktiker für Psychotherapie wird alle Patienten ab einer mittelgradigen Depression übrigens IMMER an einen psychologischen Psychotherapeuten verweisen. Weil er weiß, wo seine Grenzen liegen. Diesen Eindruck habe ich eher selten, wenn ich mir die aggressive Werbung irgendwelcher Coaches ansehe.


Fazit: Für schnelle Hilfe in die Ambulanz


Wenn ihr nöglichst schnell Hilfe braucht, kann ich euch tatsächlich ans Herz legen, euch in einer psychiatrischen Institutsambulanz vorzustellen. Dort findet ihr in der Regel sowohl einen Psychiater, der euch bei Bedarf und auf Wunsch medikamentös unterstützt als auch Psychotherapeuten, die für euch da sind und die zumindest für Krisenintervention Zeit haben und euch betreuen, bis ihr einen Platz bei einem Psychotherapeuten gefunden habt. Ach ja, Tipps dazu, wie man einen Psychotherapeuten findet, gibt es da auch.


Und einen habe ich noch für euch: https://www.wege-zur-psychotherapie.org

Da findet ihr sehr übersichtlich alles Wissenswerte zum Thema Psychotherapie. Plus Therapeutenlisten. Nur das Abtelefonieren, das nimmt euch leider niemand ab.


Liebe Grüße

Fran







Kommentare

  1. Das hast Du gut erklärt, gerade die vielen Unterschiede in der Ausbildung, da blicken die wenigsten Menschen durch. Ich eigentlich auch nicht, wenn ich ehrlich bin. Der Gang zum Hausarzt ist schon mal gut. Meist auch, weil man arbeitsunfähig ist, der zieht einem in den meisten Fällen erstmal aus dem Verkehr. Viele Hausärzte haben eine Zulassung und Ausbildung für psychosomatische Grundversorgung, die erkennen wo der Hase begraben liegt.
    Das Foto von Dir gefällt mir. 😁
    Liebe Grüße Tina 🌴

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    1. Ich fand die Ausbildungen auch sehr verwirrend. Bis vor ein paar Jahren wusste ich gar nix darüber. Mit dem Psychologie-Studium des Kindes wurde mir dann ein bisschen was klar und in der HP-Ausbildung wird halt wirklich sehr viel Wert darauf gelegt, wer überhaupt was darf. Schon allein, um selbst seine Grenzen zu kennen.
      Meine Hausärztin ist toll und hat definitiv auch einen guten Blick auf die Psyche. Aber sie überweist dann halt auch wieder und hat eben auch die passenden Empfehlungen parat. Das hat mir sehr geholfen.

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  2. Danke für die Aufklärung. So ähnlich habe ich es mir gedacht. Wichtig ist, dass man im Falle eines Falles erstmal aus dem Verkehr gezogen wird - wie Tina es schon sagt. Ist aber gar nicht so leicht, wenn man selbst nicht einsichtig ist.

    Liebe Grüße
    Sabine

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    1. Oh ja, da hast du Recht. Ich war ja auch erstmal so drauf, dass ich mir gerade mal zwei Tage "gönnen" wollte und dann wieder ab ins Büro. Von heute aus betrachtet war das völliger Wahnsinn. Aber damals dachte ich, das muss so.

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  3. Das war sehr viel guter Input. Einiges wusste ich oberflächlich.
    Wirklich das Allerwichtigste ist, wie du sagst, zu erkennen, dass der Hase eben nicht mehr läuft.
    Während bei einigen Dingen viel zu viel Brimborium gemacht wird, werden die echten Dinge oft übersehen. Genauso wie ich immer noch finde, dass mit dem Begriff Burnout (und nicht nur mit dem) ziemlich inflationär umgegangen wird. Denn das stellt die wahrlich Erkrankten in eine Ecke, in die sie nicht gehören. Du weißt, wie ich es meine.

    Danke für deine Erklärungen
    Liebe Grüße
    Nicole

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    1. Ja, ich weiß, was du meinst und mit dem Begriff Burnout wird definitiv inflationär umgegangen. Genauso wie mit dem Begriff Panikattacke oder Depression. Manchmal denke ich, es ist wohl hip, "sowas" mal gehabt zu haben. Aber nach zwei Wochen ist es dann nach der Lektüre der richtigen Bücher, ein paar Tagen auf Sylt und ein bisschen Yoga wieder gut.... Weil man ja jemand ist, dessen Glas immer halb voll ist *würg* *sorry*

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  4. Vielen Dank für die Infos. Meine knapp 88 jährige Nachbarin ist jetzt auch/noch stationär in unserem "Bezirkskrankenhaus". Allerdings scheint, lt. der Tochter, die Medikamentierung jetzt anzuschlagen und sie wurde von der "geschlossenen" in die "offene" verlegt.
    Mein Vater hat mit ihr heute telefoniert. Er sagt, die Stimme klingt schon wieder viel fester. Was auch immer das bedeutet. Aber ich glaube, er denkt, es geht ihr besser. Wollen wirs hoffen.
    BG Sunny

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    1. Kleiner Kommentar zur "Geschlossenen" - die wird nämlich auch gern völlig verquer dargestellt. In der Regel ist man auf einer geschlossenen Station, weil man suizidal ist, also um sich vor sich selbst zu schützen. Es gibt auch Fälle, in denen man eine Gefahr für die Umwelt ist. Aber die landläufige Meinung, dass Menschen auf geschlossenen psychiatrischen Stationen völlig verrückt oder total gefährlich sind, ist falsch. Die sind in der Regel genau für einen Menschen gefährlich: Für sich selbst.
      Ich hoffe, dass eure Nachbarin bald wieder heim darf und es ihr besser geht. Und ja, Medikamente können da eine Menge tun. Auch wenn die teilweise sehr verpönt sind.

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  5. Vermutlich ist es in Österreich nochmal anders, weil bei uns Heilpraktiker nicht praktizieren dürfen. Trotzdem interessant zu lesen. Hoffe das jemand der Tipps sucht oder nach Anzeichen sucht hier bei dir landet um sich mal einen Überblick zu verschaffen. Toll das du dir die Arbeit machst und dein Wissen teilst. Finde das großartig. Liebe Grüße

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    1. Habe gerade mal über die gesetzlichen Regelungen in Österreich gelesen und finde die eher rigiden Regelungen ziemlich gut. Damit erspart man vermutlich vielen Patienten den einen oder anderen Irrweg durch die verwirrende Welt der Qualifikationen. Wobei ich annehme, dass es auch bei euch einen riesigen Graubereich dort gibt, wo nicht ganz klar ist, was ärztliche Leistung ist und was nicht.

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