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Und heute werden wir mal ganz persönlich… - Teil 1



… das muss man nämlich tun, wenn man als Influencer Erfolg haben will. Hab ich gelesen. Ohne Persönlichkeit keine Follower und ohne Follower keine Kooperationen und ohne Kooperationen keine Gucci-Taschen. Ach halt: Die kann man bei Bedarf auch ausleihen. Oder einfach mal zur Ansicht bestellen, ein paar Fotos damit machen und retour damit. Aber das ist eine andere Geschichte, die erzähle ich Euch demnächst.

Heute wird`s persönlich. Die einschlägigen Ratgeber „Wie werde ich ein super-duper erfolgreicher Influencer“ sind sich da einig: Nur ein bisschen Mode und ein bisschen Beauty und ein bisschen Werbung dazwischen - das funktioniert nicht. Das ist das Konzept von Zeitschriften. Influencer sind aber nun mal keine Zeitschriften, sondern die digitale Ausgabe der „besten Freundin“.

Persönlich soll es also sein, aber bitte nicht zu privat. Denn unser Privatleben wollen wir ja für uns behalten. Was manchmal der Quadratur des Kreises entspricht. Wie bitte wird man persönlich, ohne privat zu sein? Ein guter Influencer kann auch das. Wer da noch Nachhilfe braucht - bitteschön. Die gibt es heute. Nämlich die zehn Regeln, wie man persönlich wird, ohne irgendetwas von Belang zu sagen.

Man erfindet einfach eine Postserie wie „Drölfzig Dinge, die ihr noch nicht über mich wusstet“ Damit schlägt man ganz viele Fliegen mit einer einzigen Klappe. Man lässt den Leser „hinter die Kulissen“ blicken und lässt ihn glauben, dass er ein paar ganz private Eigenschaften über den Influencer erfährt. Dabei gibt man aber streng genommen nur Dinge von sich, die im Prinzip zu 90 Prozent der Weltbevölkerung passen könnten. Na, wenn das nicht mal Mehrwert für alle hat!

1. Individualität ist Trumpf

Da kann eine ganz spezielle Eigenschaft sein. Zum Beispiel, dass man immer eine kleine Muschel in der Handtasche mit sich rumschleppt, weil man die mal in einem traumhaften Urlaub im noch traumhafteren Hotel am Strand von Dingenskirchen gefunden hat. Da mit schlägt man dann sogar zwei Fliegen mit einer Klappe. Man hat eine voll persönliche Seite gezeigt UND gleichzeitig den Namen des Hotels fallenlassen, in dem man künftig gern mal ein kostenloses Wochenende verbringen möchte. Weiteres Beispiel: Fitness ist wichtig, aber man hat immer noch keinen Tracker, wie schade. Damit sorgt man nicht nur dafür, dass der Rest der Welt jetzt eine superpersönliche Nuance kennt (boah, die ist sportlich), sondern auch dafür, dass die Hersteller von Fitness-Trackern bitte mal ihre Testexemplare rausrücken.

2. Ängste. Ängste machen sich immer gut.

Zu groß dürfen sie nicht sein. Aber so ein kleiner, charmanter Anflug von Angst macht einen nahbar. Gern genommen: Höhenangst (die nehm ich mir immer *grins*, vor allem, wenn meine Kinder mit mir in eine Achterbahn wollen) Flugangst ist schwierig. Nicht dass das damit endet, dass man nicht auf eine Pressereise eingeladen wird, weil der Veranstalter Angst hat, dass man das Flugzeug vollspuckt. Nein, nehmt niemals Flugangst! Eine schöne Spinnenphobie dagegen ist erfolgversprechend. Oder kennt ihr jemanden, der noch alle Nadeln an der Tanne hat und Spinnen mag?

3. Musikalische Favoriten

Streut man da den Namen einer total unbekannten, aber absolut genialen Indie-Band ein, gilt man mit etwas Glück als musikalischer Trendsetter. Finger allerdings weg von volkstümlichem Liedgut oder abgehalfterten Schlagersängern. Sowas ist indiskutabel. Genauso wie Florian Silbereisen. Der geht bestenfalls für ü70er. Aber der braucht auch kein Influencer-Marketing, sondern ARD und ZDF.

4. Futter-Vorlieben - die hat schließlich jeder.

So ein kleiner, liebenwerter Tick wie etwa der, gegen Zitronenmelisse allergisch zu sein, kommt immer gut. Aber bitte, lasst die Finger von Vegetarismus oder gar Veganismus. Die gehen gar nicht, weil die polarisieren. Als Teilzeit-Vegetarier ist man dagegen ein total sympatischer Mensch und hält sich alle Türen für Kooperationen offen. Schlau, das. Als echter Vegetarier ist man merkwürdig und ein Missionar. Das geht gar nicht.

5. Immer beliebt: Die Partnerschaft

Hochs und Tiefs in einer Partnerschaft sind mächtig beliebt. Hier gilt es allerdings einige Fallstricke zu umgehen. Ernsthafte Probleme gehören definitiv nicht in die Öffentlichkeit. Und ernsthaft ist alles jenseits einer kleinen Diskussion um den Abwasch. Der Partner eines Influencers liest ihm gefälligst jeden Wunsch von den Lipppen ab. Falls er das nicht tut: Klappe halten oder gleich entsorgen. Klappe halten gilt auch bei Partnerschaften, die nicht zu 100 Prozent den gesellschaftlichen Konventionen entsprechen. Der zehn Jahre jüngere Mann geht gerade noch, der wird langsam gesellschaftsfähig. Wer dagegen gleichgeschlechtlich liebt, sollte das besser im Dunkeln halten. Schließlich ist die Influencer-Welt zu 80 Prozent weiblich und könnte Angst kriegen. Denn so aufgeklärt und tolerant sind wir nur auf dem Papier, äh sorry: Auf dem Handydisplay. Eine Trennung wiederum kann, geschickt inszeniert, eine langfristige Zusammenarbeit mit Single-Portalen nach sich ziehen. Ihr seht, Partnerschaften sind ein weites und interessantes Feld :-)

6. Total unbeliebt: Politik

Politik gehört nicht auf den Blog, denn Politik ist langweilig, unentspannt und echt schwieriger zu verstehen als die Farbklammer bei Eurem Outfit. OK, ihr solltet Euch kurz nach Chemnitz und Konsorten durchaus mal gegen Rechts bekennen, wenn 90 Prozent der anderen Blogger das auch tun. Oder einen Aufruf zur Wahl starten, wenn zu befürchten ist, dass die Wahlbeteiligung wieder mal bei 63,4 Prozent dümpelt. Sogar ohne dafür bezahlt zu werden. Aber ansonsten: Keine Politik. Das vergrätzt Leser, die Eure politische Einstellung nicht teilen und - noch schlimmer - eventuelle Kooperationspartner. Ihr seid Lifestyle und keine Partei. Andererseits überlege ich gerade, ob ein über die Schultern gelegter gelber Pullover nicht irgendwie auch ein Stück Lifestyle ist…. Hm. Ich denke darüber nochmal nach.

7. Unfähigkeit im Haushalt

Es ist kein Problem zuzugeben, dass man nicht kochen oder backen kann. Auch die Unfähigkeit, Fenster zu putzen oder zu bügeln ist absolut in Ordnung und wirkt eher charmant als unfähig. Dabei sollte man allerdings bedenken, dass in diesem Fall viele Kooperationen im Bereich Haushalt und Küche wegfallen. Sollte man das riskieren? Besser ist es zu schreiben, dass backen, kochen und bügeln nicht so richtig Spaß machen. Das räumt die Chance ein, dass sich das ins Gegenteil verwandelt, wenn man mit dem wahnsinnig tollen Produkt X arbeitet!

8. Blick in die Jugend: Unfähigkeit in der Schule

Irgendein Schulfach mag jeder nicht. Das darf man ruhig zugeben. Vorsicht allerdings beim Nicht-Mögen von kreativen Fächern. Mathe und Physik sind kein Problen. Wer allerdings den Musikunterricht doof fand, gerät schnell in Verdacht, total unkreativ zu sein. Die Blockflöte allerdings, die darf man ungestraft hassen.

9. So eine kleine, nette Schwäche muss sein

Ohne eine kleine Schwäche ist der Influencer nicht komplett. Wer Size Zero trägt, isst natürlich für sein Leben gern Schokolade oder Pizza und erlaubt sich die tatsächlich einmal pro Woche! Die Mär, dass man immer isst, worauf man Lust hat und sich nix verkneift, glaubt einem niemand mehr. Aber ein ganz kleines bisschen Schokolade oder eine Pizza gehen immer noch. Wer über Size Zero trägt, sollte das Thema allerdings eher totschweigen. Es gibt da ja noch andere, nette Schwächen. Zum Beispiel, dass man heimlich an Wintersonntagen in Jogginghosen chillt oder manchmal ungeschminkt im Homeoffice im ollen T-Shirt rumsitzt. Das tut so ziemlich jeder und was jeder tut, wirkt sympathisch.

10. Der akademische Hintergrund

Quasi zum Standard des erfolgreichen Bloggers gehört ein Studium, zumindest bei Blogger unter 40. Ob man das jemals abgeschlossen hat oder immer nur pünktlich zur Rückmeldung in den heiligen Hallen der Uni erschien, ist dabei egal. Wobei ich ehrlich gesagt nichtmal weiß, ob man da heute noch persönlich aufschlagen muss. Gut fürs Image ist es außerdem, wenn man von Zeit zu Zeit seine medizinische oder juristische Kompetenz in einem Blogpost erwähnt. Natürlich nur gaaaaanz am Rande, denn Fragen zum Studium kann und möchte man nicht dringend beantworten. Und vergesst das Grundschul-Lehramt-Studium. Damit lässt sich kein Staat machen.


Daraus lassen sich wunderbar zehn total persönliche Facts machen :-) Und schwupps - der ge-influence-te Leser hat das Gefühl, Euch ganz genau zu kennen. Und ihr habt was fürs Image getan. Wenn das mal nicht eine Win-win-Situation ist. Und in der nächsten Woche lernen wir dann, wie man den Leser gaaaaaanz tief in die zarte Bloggerseele blicken lässt.

Liebe Grüße
Fran

Kommentare

  1. Hihi voll auf die Lachmuskeln und das jetzt schon am frühen Morgen. Kann nur gut werden heute :)
    Danke dafür. Unirückmeldung geht online. Einfach die Gebühr überweisen, Immatrikulation ausdrucken. Bei uns zumindest.
    Wünsche ein wunderschönes Wochenende, liebe Grüße Tina

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    1. Ich dachte mir schon, dass das heute auch online geht. Ich musste damals noch Schlange stehen... Hach, Fortschritt ist manchmal doch zu was gut ;-)

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  2. Gut beobachtet, du bist wieder genial, Fran! Politik ist schwieriger als die Farbklammer... LOL!
    Mit Grundschullehramt kann man Bullerbü-Blogs füttern... Grusel.
    Schönes Wochenende, A

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    1. Ha, das sag ich einer Freundin. Die ist Lehrerin und verzweifelt gerade an ihren Schülern. Vielleicht sollte sie auf Bullerbü umsatteln :-)

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  3. Danke für die Online-Beratung "Wie werde ich Influencer", Teil 1. Habe alles gierig aufgesogen. Kann Teil 2 bis 15 gar nicht abwarten... !!! Woran es bei mir heute scheitert, sind schonmal die Punkte 1 bis 10 - aber ich lass mich nicht unterkriegen! Das wird schon!
    Nee, im Ernst: einfach Klasse! Danke für diesen Post! :-)
    Liebe Grüße
    Maren

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    1. Teil 2 wird mächtig tiefsinnig, so viel kann ich schon verraten :-) Ich könnte Live-Online-Seminare für die Umsetzung anbieten. Dann werdet ihr alle berühmt und ich reich :-)

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  4. Wie immer unterhaltsam . Überlege jetzt noch wie ich es hin bekomme Punkt 1- 10 umzusetzen . Bräuchte da echt Hilfe ...flööööt.
    Und ich influencere jetzt mal weiter so in der Wirklichkeit rum. Denn in Wirklichkeit ist die auch ganz anders ...
    LG heidi .....1-10,1-10,1-10 .....

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    1. Kein Problem, siehe oben. Ich bereite da gerade ein Seminar vor *grins*

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  5. Mensch Fran, die Idee mit den zur Ansicht bestellten Taschen habe ich noch nicht genutzt. Muss ich dringend mal machen. Aber ich fürchte, ein Top Influenzer werde ich trotzdem nicht mehr. Schwächen im Haushalt - habe ich. Ich kann es zwar, was so gefragt wird, aber ich habe dazu selten Lust. Zählt das auch :)
    Gegen Nraun habe ich auch schon geschrieben. Inspiriert durch ein Buch, das klingt wesentlich gebildeter, oder? Blöd, dass ich das Buch gerade jetzt gelesen habe. Das mache ich beim nächsten Mal besser.
    Nein ernsthaft, ich mag es so gerne, dass hier mal alles ein bisschen durch den Kakao gezogen wird, also“keep it on“ oder so.
    Liebe Grüße
    Andrea

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    1. Ich habe mich gerade zwei Stunden lang hingebungsvoll der Wäsche gewidmet. Vermutlich sollte ich das auch nicht zugeben, aber es hat tatsächlich Spaß gemacht, den Berg schrumpfen zu sehen.
      Und was soll man sonst mit Kakao machen? Ich mag das Zeug nur, wenn gaaaanz viel Sahne drauf schwimmt.

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  6. ach. Ich glaube mit den gelisteten Aufgaben kann ich Punkten. :-))))
    1. Individualität ist Trumpf
    Sind wir nicht alle Individuen... Ich niiihicht.
    2. Ängste. Ängste machen sich immer gut.
    Dass mir abends einer die letzte Ziggi wegraucht. Ist zum Glück noch nie passiert.
    3. Musikalische Favoriten
    Immer wieder gerne. Auch ganz exotisch. Extra für Euch.
    4. Futter-Vorlieben - die hat schließlich jeder.
    Ich mag kein Gemüse.
    5. Immer beliebt: Die Partnerschaft
    Klar, der eigene Rudi ist doch immer der Beste.
    6. Total unbeliebt: Politik
    Das kommt drauf an. Da wo ich Themen beieinflussen kann, die politisch sind oder sein sollten. Dann schreibe ich darüber. Über andere eher nicht. Vor allem, weil mir dazu die Ahnung fehlt.
    7. Unfähigkeit im Haushalt
    Absolut. Also vor allem Mangelt es mir an Freude. Der Freude an Haushaltstätigkeiten. Ich mache sie, weil einer muss. Aber ich weiß besseres mit meiner Zeit anzufangen.
    8. Blick in die Jugend: Unfähigkeit in der Schule
    Wie bereits mehrfach geschrieben. Ich hätte mehr gekonnt, war aber eine faule Sau. Und das ist etwas, für was ich mich nicht schäme. Ich fand Streber schon immer uncool und uninteressant. Sorry.
    9. So eine kleine, nette Schwäche muss sein
    Eine. Mist. Ich bin die Frau Schwäche. Ich liebe meine Schwächen. Ich bin ein Mensch. Kein Gott.
    10. Der akademische Hintergrund
    Mei die einen promovieren an der Uni, die anderen im Standesamt. Sagte dereinst die Gattin unseres Hausarztes und Kundin meiner Mutter. Dabei lachte sich mich ermutigend an.
    LG Sunny




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    1. Oh, das mit der letzten Kippe kann ich soooo gut verstehen. Ich habe IMMER noch irgendwo Vorräte. Ob allerdings Gemüse nicht zu mögen eine gute Idee ist, wo doch die Welt auf gesunde Ernährung steht, weiß ich nicht genau. Zusammen mit den Kippen sehen wir in Sachen #healthy echt arm aus...
      Und zum letzten Punkt sag ich nur: Lassen sie nich durch. Mein Mann ist Arzt!

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