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Die Welt steht still – oder dreht sich schneller





Wo man geht und steht, überall hört und liest man darüber, dass die Welt sich verlangsamt, gar still steht. Die große Entschleunigung. Menschen, die die viele freie Zeit, die sie plötzlich haben, für Dinge wie Steuererklärungen oder Entrümplungsaktionen nutzen. Ich schätze, das Finanzamt wird sich in den nächsten vier Wochen mächtig wundern, wie viele Steuererklärungen in diesem Jahr überpünktlich eingehen und die Mülltonnen werden spätestens Ende kommender Woche übervoll sein. Hoffen wir, dass die Beschäftigten in der Abfallwirtschaft durchhalten und das Zeug auch entsorgen ;-) Hier sind zumindest die Annahmestellen für Sperr- und Sondermüll aller Art geschlossen.

Von Entschleunigung merke ich beruflich noch absolut nichts, eher im Gegenteil. In der Redaktion geht es drunter und drüber. Geschichten, die man morgens schreibt, sind nachmittags obsolet. Wir konferieren also mindestens viermal pro Tag, gleichen ab, was noch geht und was nicht mehr und hoffen, dass es niemanden von uns erwischt. Das Homeoffice, in dem die meisten Schreibtischtäter in Deutschland wohl inzwischen sitzen, ist für eine lokale Tageszeitung schwierig zu managen. Ich versuche gerade trotzdem, den Ernstfall zu planen und stolpere so durch die Welt von VPN und Telefonkonferenzen. Das verlängerte den ohnehin langen Arbeitstag dann gerne nochmal um eine Stunde. Keine Spur also von Entschleunigung.

Das große Kind ist ebenfalls beruflich in einem Bereich unterwegs, der gerade jetzt Hochkonjunktur hat. Sie sitzt dabei allerdings nicht wie ich kuschelig im Büro, sondern steht quasi an der Front. Ich hoffe, sie bleibt gesund dabei, habe aber meine Zweifel. Mein Appell an sie, für die nächste Zeit vielleicht doch wieder hier einzuziehen, verhallte leider ungehört. Vermutlich hält sie mich für alt genug, um Risikogruppe zu sein ;-) Naja, vielleicht werde ich es in den kommenden Wochen schaffen, sie mit Essbarem zu locken. 

Kind, klein, ist die Einzige, die von der großen Entschleunigung profitiert. Naja, nicht wirklich. Die Uni ist zwar geschlossen, aber die liebe Mutter hinterlässt gern mal To-do-Listen mit Dingen wie Bad putzen oder Treppen wischen…

Und auch wenn ich mir manchmal mit eine Stoßseufzer so gegen 18 Uhr wünsche, dass der Tag endlich vorbei sein möge und nicht noch eine Seite umzubauen ist, so bin ich doch froh, dass ich arbeiten kann. Wenn ich sehe, wie viele kleine und mittlere Unternehmen und Freiberufler gerade finanziell in den Seilen hängen und vermutlich in vier Wochen nicht mehr wissen, wie sie ihre Miete bezahlen sollen, bin ich durchaus dankbar für die momentane Belastung. Abgesehen davon habe ich auf eine Steuererklärung gerade herzlich wenig Lust und entrümpelt ist meine Wohnung seit dem Umzug bis ins Kleinste. Die Fenster dürften mal geputzt werden, aber das ist ja ein toller Eintrag für die To-do-Liste für Kind, klein…

Ansonsten hoffe ich, dass wir hier in Hamburg auch in der nächsten Woche ohne Ausgangssperre leben dürfen. Ich weiß, dass Viele sich die geradezu wünschen. Mir ist Einsicht lieber als der Versuch, Menschen durch Strafe zu erziehen. Und zumindest in meiner Umgebung ist die Einsicht inzwischen vorhanden. Man bleibt zuhause, geht gerade mal eine Runde durch den Park oder kurz etwas einkaufen. Mehr nicht. Viel mehr würde eine Ausgangssperre wohl auch nicht bringen. Und ehrlich gesagt, wenn jemand, der zu Beginn der Woche schnell noch - weil es im Homeoffice wunderbar geht - die Zahnreinigung durchführen lässt, zum Friseur geht und dann die nächsten drei Frühlingsoutfits shootet, aber anschließend laut nach einer Ausgangssperre ruft, dann kann ich das nicht so wirklich ernst nehmen ;-)

Frühling gibt es heute trotzdem. Als ich die Strickjacke vor einigen Wochen bei Urban Outfitters gesehen habe, war klar, dass sie mit muss. Dass ich regelmäßig im Frühling Farbe brauche, während ich den Rest des Jahres mit schwarz-weiß-blau-beige glücklich bin, habe ich ja schon mehrfach erzählt. Da kam die Strickjacke gerade recht. Und sie durfte natürlich auch am vorletzten Wochenende mit an die Ostsee. So ein Ausflug ist zwar zur Zeit gerade verboten, aber die Strickjacke darf jetzt mit ins Büro. Ob sie in die allgemeine Kategorie „Frühlings-Trend“ einzuordnen ist, weiß ich gerade eher nicht. Vermutlich sind Pastellfarben viel angesagter. Oder beige. Für mich ist halt gerade Farbe Trend. Und das sollte einfach jeder so halten. Wenn wir schon unsere sozialen Kontakte verringern, sollten wir dabei wenigstens tragen, was wir mögen.





Liebe Grüße
Fran


Kommentare

  1. Hier sind die Menschen inzwischen auch diszipliniert und ich bin ganz bei dir beim Thema Ausgangssperre. Und ich bin froh, dass wir in einem Land leben, wo so etwas nicht leichtfertig beschlossen wird.
    Ansonsten dreht sich meine Welt auch gerade schnell aber ich fürchte, das wir nicht so bleiben. Wir werden sehen, was die Zukunft bringt.
    Liebe Grüße
    Andrea

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  2. Die Jacke ist echt der Hammer. Richtig fröhlich. Ich bin gespannt, ob wirklich alle so diszipliniert sind und dann auch bleiben. In meiner näheren Umgebung funktioniert das jedenfalls, wenn es auch etwas gedauert hat. Auf der Bäderstraße zu den Stränden, die hier nicht weit entfernt ist, herrscht allerdings ein gutes Verkehrsaufkommen. Wie bei einem Sonntagsausflug. Wenn die Leute alle an die Strände fahren und sich dort zusammenrotten könnte eine Ausgangssperre für Schleswig-Holstein Realität werden.

    Liebe Grüße Sabine

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  3. :-) Liebe Fran,
    schön, dass es Dir trotz des Stresses gut geht. Ich bin froh, dass es noch Zeitungen gibt und bin all den daran arbeitenden Leutchen sehr dankbar dafür.
    Wir haben ja schon seit einer Woche eine bedingte Ausgangssperre und ich bin nach wie vor froh, wie Österreich mit der Situation umgeht.
    In der Strickjacke siehst Du wie ein richtiger Preppie aus :-D Ein fröhliches Teil!
    Bleibt gesund - Du und Deine Mädels! - und liebe Grüße
    Claudia :-)

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  4. Die Jacke ist der Hammer, so ein cooles Outfit! Schöne Kulisse ... Fantastisch! Ich glaube ich lebe schon eine Art Ausgangssperre, mit einem anderen Namen, ich sehe keinen großen Unterschied....Und wenn die Menschen weiter nicht freiwillig ihre sozialen Kontakte beschränken, dann müssen sich die Regeln ändern und wir müssen leider die Konsequenzen tragen! Ich hoffe wir schaffen das ohne!
    Liebe Grüße,
    Claudia

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