Direkt zum Hauptbereich

Nachhaltig, aber bitte billig




Bio soll es sein. Und nachhaltig. Und gut fürs Klima. Aber bitte mit Preisen auf Aldi-Niveau. Sorry, aber das ist die Quadratur des Kreises. Und die ist noch niemandem gelungen, ansonsten müssten sich nicht Generationen von Schülern mit Pi rumärgern.

Wir wollen also nachhaltig einkaufen. Wie gut, dass Aldi und Co. Inzwischen mächtig viel Bio anbieten. Wie Bio allerdings Bio aus dem Discounter ist, das weiß kaum jemand. Das, was da zu Discout-Preisen im Regal liegt, kommt in der Regel aus der Massenerzeugung und entspricht immerhin den Mindeststandards der EU. Mehr allerdings nicht. Mit dem kleinen Bauernhof, auf dem nachhaltig gewirtschaftet wird, hat das wenig zu tun. Bio-Tiefkühlgemüse kann durchaus auch aus China stammen und per Containerschiff nach Europa verschifft werden - das tut dem Bio-Siegel keinen Abbruch.


Wer jetzt die Schuld beim Discounter sucht, der sollte mal nachdenken. Ja, wir wollen alle Bio und nachhaltig sollen Lebensmittel bitteschön auch sein. Aber bitte zum Discounterpreis. So ein Urlaub, der darf gern ein paar Tausend Euro kosten. Da lassen wir es krachen. Gilt auch für Designertaschen oder Autos. Da muss man schon zeigen, was man hat. Aber Lebensmittel? Die müssen billig sein. Den Gefallen tun uns die Discounter selbstverständlich gern und bieten eben Bio mit Mindeststandards an. Heißt dann eben auch Bio und den Unterschied zu Demeter oder Bioland kennt sowieso kaum jemand.


Ähnlich wie mit verhält es sich mit anderen Supermarktketten, selbst dann, wenn sie Lebensmittel lieben. Bio nach EU-Verordnung ist Standard. Wer mehr will, muss schon im Bio-Supermarkt einkaufen.


Oder vielleicht auf dem Wochenmarkt! Das ist doch DIE Idee. Sollte man meinen. Ist aber nicht zwingend so. Klar, einige der Lebensmittel, die sie verkaufen, bauen die Händler selbst an. Viele werden aber auf dem Großmarkt zugekauft. Denn welcher Obstanbauer hat denn bitteschön alles da von A wie Ananas (die meines Wissens in Norddeutschland einfach nicht gedeiehen will) bis Z wie Zitrone? Im Obstanbau ist es übrigens ähnlich wie bei der Nutzviehhaltung: Angebaut werden zwei bis drei, manchmal auch nur eine Obstsorte. Auf dem Markt verkauft werden drölfzig. Und drölfzig minus eins stammen dann eben aus dem Großmarkt. Vor allem dann, wenn es sich um Dinge handelt, die das Frühstück so schön instagrammable machen. Himbeeren im Januar zum Beispiel.


Ich kannte da mal jemanden, der betrieb einen Marktstand. Einen dieser großartigen Marktstände auf einem viel besuchten Markt in einem hippen Viertel. Und an diesem Marktstand gab es nicht nur Obst und Gemüse aus „integriertem Anbau“ (was das heißt? Im Grunde genommen gar nichts), sondern auch die gute Bauernbutter. Ihr wisst schon, das gute, handgeklöppelte Zeug, das nur unter der Theke und nur für Stammkunden verfügbar ist. Verknappung heißt hier das Zauberwort. Diese Butter war handgeschnitten und in Pergament verpackt. Sie fand reißenden Absatz. Die Kunden schwärmten, dass man gleichsam die grünen Wiesen und die rotbunten Milchkühe, die vor dem Melken stundenlang geknuddelt werden, rausschmecken kann.


Vielleicht hätten diese Kunden sich einfach mal die Herkunft der Butter ansehen sollen. Die wurde nämlich in einem Zehn-Kilo-Block für den Gastronomiebedarf im Großmarkt eingekauft. Dabei handelte es sich um handelsübliche Billigbutter. Und dann geschah die Verwandlung im Betrieb des Markthändlers: Der riesige Butterblock wurde von Hand in 250-Gramm-Portionen geschnitten, von Hand abgewogen und von Hand in vorher zugeschnittene Pergamentbögen gewickelt. Und schwupps - fertig war die regionale Bauernbutter! Mein Einwand, dass das ja wohl handfester Betrug sei, wurde mit Ignoranz quittiert. „Macht doch jeder so“.





So, und nun? Für mich habe ich inzwischen eine Lösung dieses Problems gefunden. Ich kaufe einfach in der Hobenköök ein. Da ist nicht alles Bio. Aber fast alles, was es dort gibt, ist saisonal und regional und stammt von Höfen und Lebensmittelhandwerkern, die nicht nur in der Region ihre Heimat haben, sondern die auch nachhaltig wirtschaften. „Gute Lebensmittel und eine enkeltauglichen Landwirtschaft“, so hat die Regionalwert AG, die die Hobenköök gegründet hat, als Ziel ausgegeben. Ich liebe es, durch die Markthalle zu streifen und zu gucken, was es Neues gibt, den Einkaufswagen mit frischem Gemüse - garantiert nicht aus Fernost - vollzupacken und in die Regale zu gucken, was es sonst noch gibt. Wer hungrig kommt, bekommt in der Hobenköök auch etwas zu essen, außerhalb von Corona jedenfalls. Im Moment ist das Restarant leider geschlossen. Aber im Angebot gibt es für faule Menschen jede Menge fertiges Futter, wie früher mal eingekocht im Glas…. Das man übrigens beim nächsten Besuch zurückbringt, wie sich das gehört.







Auf zwei Dinge muss man in der Hobenköök allerdings verzichten: Auf Himbeeren im Januar und auf billig. Dafür ist aber der Laden selbst höchst instagrammable ;-)


Liebe Grüße

Fran


Kommentare

  1. Genau mein Laden! Da würden wir uns öfters treffen, liebe Fran. Super Konzept und Auswahl.

    Wir kaufen auch zu 80 % im bewährten Bioladen, da gibt es bei uns zum Glück schon seit langem eine gute Tradition hier im Ort und eine große Community dafür. In einigen ausgewählten Hofläden im Umland kaufen wir auch ein, u.a. fein eingewecktes Meal im Glas, das wir natürlich auch wieder zurückbringen. Diese feinen Gläser sind übrigens auch tolle Geschenke und werden immer begeistert aufgenommen.

    Dass Bio bei Aldi & Co. zu diesen Preisen nicht Bio im guten Sinne sein kann, muss leider erst noch ins Bewusstsein dringen. Sehr schade, dass der Begriff nicht eindeutig definiert und geschützt ist. Und noch mehr schade, dass unsere Landwirtschaftspolitik dies nicht priorisiert und entsprechend unterstützt. Österreich z.B. zeigt da viel mehr auf, wie es gehen kann.

    Von enkeltauglich sind wir jedenfalls weit entfernt....
    Aber gut, dass es die Hobenköök gibt (was heißt das "übersetzt"? Haubenküche?? :-))!
    Eine schmackhafte neue Woche wünscht Dir,
    Sieglinde

    AntwortenLöschen
  2. Liebe Fran,
    ja, ja, ja! Nur das mit dem Urlaub stimmt so nicht, auch da ist es so, dass es ein Sport geworden ist, über den Preis, natürlich den günstigsten zu reden. Über dieses Thema könnte ich Referate halten...
    Mit den Lebensmitteln gebe ich dir Recht- wir essen zumindest saisonal regional, aber und das muss ich bekennen, nicht immer. Denn Mango gedeihen hier leider auch nicht. Aber irgendwas ist immer. Hobenköök mag ich- schon optisch.
    Seit ich das erste Mal bei Metro war, habe ich den Glauben in einiges verloren, so schön deren Angebot auch in manchen Dingen ist. Und die können ja auch nichts dafür, WIE ihre Produkte verwendet werden.
    Cool war mal der Spruch eines Fleischers, als sich jemand beklagte, dass er sooo viel teurer als der Discounter wäre: Ja, ja, einen Weber Grill haben, aber Bratwurst für 30ct haben wollen.
    Deckt sich mit deiner Meinung.
    Insofern ist jeder Schritt ein Schritt und das ist wichtig.
    Liebe Grüße
    Nicole

    AntwortenLöschen
  3. Die Verbraucher sind in der Regel selbst Schuld, dass es so viel Billig-Produkte gibt. Aber nicht nur - wie man am Beispiel der Butter sieht.

    Liebe Grüße Sabine

    AntwortenLöschen
  4. Von den Wochenmärkten hier in der Region bin ich enttäuscht. Da kann ich, zumindest gefühlt, auch im Supermarkt einkaufen. Die bieten nämlich viel von der Reichau an, die Insel neben der Mainau. Das ist auf jeden Fall regional.Am liebsten nutze ich Hofläden hier in der Region. Das ist allerdings zeitaufwendig. Und es gibt eben nur ein eingeschränktes Sortiment. Eben ohne Zukäufe. Die Bioläden liegen für mich leider ungünstig oder haben Mittagspause, wenn ich dran vorbei komme. Aber man kann ja nicht alles haben :)
    Mein absoluter Favorit ist der Käseladen. Das ist wirklich wie in Bullerbü: Demeter Bioqualität. Da sehen Käse weder identisch aus noch schmecken sie immer gleich. Und manchmal sind Sorten eben „aus“. Dort gibt es auch Hofbutter vom Stück. Und garantiert nicht vom Großhandel. Aber das hat natürlich seinen Preis. Aber den zahle ich tatsächlich gerne für artgemäß gehaltene Tier. Und die Inhaber machen sicher auch nicht den großen Reibach mit ihrem Laden.
    Wenn man richtig darüber nachdenkt, muss einem klar sein, dass billige Lebensmittel auch billig produziert sein müssen. Kann ja gar nicht anders funktionieren. Wobei ich Mindeststandards in Bioqualität immer noch besser finde als konventionelle Produkte. Es ist aber eben nicht so, wie die Werbung uns dann glauben machen will mit den schönen Bildern von glücklichen Tieren und Landwirten.
    Der Hamburger Laden würde mir auch gefallen. Leider ein bisschen weit ;)
    Schöne Grüße
    Andrea

    AntwortenLöschen
  5. Die Hobenköök würde mir auch gefallen! Super Konzept und sehr marktwirksam mit diesen "rohen" Kistenregalen, echt gut gemacht. Es ist schon Psychologie: fast alle kaufen gerne im Biosupermarkt ein, weil man gleich das Gefühl hat, ein besserer Mensch zu sein. Wenn ich in solche Läden gehe habe ich das auch. Deshalb ist die Butter vom Gro´ßhandel eigentlich nur ein weiterer psychologischer Trick. Die Leute werden manipuliert, aber mei. Ich werte das jetzt gar nicht. Auch diese Kistenregale und die ganze "Bio"-Einrichtung sind im Grunde Manipulation. Dabei werden doch immer Gefühle verkauft (Mensch, ich hätte in die Werbung gehen sollen...:-DDDD)
    Liebe Grüße, Maren

    AntwortenLöschen
  6. Wenn man auf dem Land lebt und nicht erst vor 5 Monaten zugezogen ist, kennt man die Bauern. Und man weiß auch, wo der Bauer kauft. Und man sieht, wie viel Arbeit der da rein steckt. Es ist wie immer und überall im Leben. Hirn einschalten. Überlegen was man braucht und wo man die Prioriäten hat. Wo kommt das her. Wer hat das unter welchen umständen gemacht, wie weit wurde es transportiert.
    Die meisten würden tot Stuhl fallen, wenn man ihnen die Kopfhörer aus den Ohren ziehen würde, wo ständig ertönt: "Einatmein, ausatmen, einatmen, ausatmen...."
    BG Sunny

    AntwortenLöschen
  7. Oh ja da würde ich auch ab und zu einkaufen gehen. Das würde mir Spaß machen. Ansonsten gehe ich genau einmal die Woche 45 Minuten mit meiner Mutter
    zu unserem ansässigen kleinen Edeka, der bei Obst und Gemüse auch Demeter führt, ja das kostet mehr, mir ists egal, und von unseren Höfen hier einkauft. Zusätzlich natürlich. Günstig ist mein Wocheneinkauf nicht.
    Aber ich kann die Familien mit wenig Einkommen auch gut verstehen.
    Als Kunde wird man schon ganz schön oft veräppelt. Auf einem Markt finde ich das noch leichter als im Supermarkt. Wie man an Deinem Beispiel sieht, mit der Butter.
    Liebe Grüße Tina

    AntwortenLöschen
  8. Ach Fran, Du bist herrlich und bringst es köstlich instagramable auf den Punkt! Das ist einfach die Deutsche Mentalität, die mich höchst selbst auf die Palme bringt. Und ich bin jetzt nicht zwingend der Bio-Einkäufer vorm Herrn, aber zumindest achte ich darauf, dass meine Äpfel nicht aus Neuseeland importiert wurden.
    Hätte eine derart coole Location in der Nähe, würde ich alleine wegen des Gesehenwerdens dort einkaufen...nee....weil es einfach mega cool ausschaut und "regional" genau das ist, was ich am als wichtigsten erachte. Im übrigen finde ich diese Markthysterie auch immer sehr befremdlich. Ist mir eh zu früh am Wochenende...

    AntwortenLöschen

Kommentar veröffentlichen

Dieser Blog ist mit Blogspot, einem Googleprodukt, erstellt und wird von Google gehostet. Es gelten die Datenschutzerklärung & Nutzungsbedingungen für Googleprodukte.

Wenn Du die Kommentare zu diesem Beitrag durch Setzen des Häkchens abonnierst, informiert Dich Google jeweils durch eine Mail an die in Deinem Googleprofil hinterlegte Mail-Adresse.
Durch Entfernen des Hakens löscht Du Dein Abbonement und es wird Dir eine entsprechende Vollzugsnachricht angezeigt. Du hast aber auch die Möglichkeit Dich in der Mail, die Dich über einen neuen Kommentar informiert, über einen deutlichen Link wieder abzumelden.

Beliebte Posts aus diesem Blog

Gelernt im November: Von Hot Dogs, Fußball, Erbseneintopf und schlauen Frauen

Im Bann von Superwoman

Kleiderstange: So langsam wird es Winter