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Diagnose Burnout: Woher kommt ein Burnout und was passiert eigentlich in einer Therapie?



Warum gerät man da eigentlich rein, in so einen Burnout? Diese Frage haben mir nach dem Post in der vergangenen Woche eine ganze Reihe von Lesern gestellt. Ich kann heute sagen: Dazu braucht es eine immense Verbohrtheit.

Dass mir der Job längst nicht mehr gut tut, wusste meine Familie weit vor mir. Ich habe mindestens ein Jahr lang täglich geflucht. Über die Menge an Arbeit, über die Kollegen, die mich damit sitzen ließen, über die Verlagsleitung, die null Unterstützung anbot. Die Arie konnte hier wirklich niemand mehr hören. Mir war durchaus klar, dass da was falsch lief. Was mir nicht klar war: Ich war selbst dran schuld.


Ich bin leistungsorientiert und ehrgeizig. Ich möchte etwas erreichen, etwas bewegen. Klar, dass ich stolz war, als mir die Redaktionsleitung angeboten wurde. Und klar, dass ich das Vertrauen, das der Verleger damit in mich gesetzt hatte, auch verdienen wollte. Dass zwei Redaktionsleiter vor mir mit der Restrukturierung krachend gescheitert waren, war für mich kein Grund zu zaudern, sondern ein Ansporn. ICH würde das schaffen. Habe ich ja auch. Aber es hat halt jede Menge Anstrengung gekostet.


Dazu kam der Drang, möglichst viel selbst machen zu wollen. Redaktionsleitung war ja gut und schön, aber ich wollte natürlich auch weiterhin schreiben, und zwar keine lapidaren Meldungen, sondern Geschichten, die viel Aufwand und Recherche erfordern. Die sind es ja, die meinen Beruf spannend machen. Also lud ich meinen Schreibtisch noch voller als er ohnehin schon war und wenn der Tag nicht reichte, musste halt die Nacht dran glauben. Und ja, das ging durchaus so weit, dass ich der Meinung war, ohne meinen Beitrag würde die Zeitung, für die ich arbeite, an Qualität verlieren. Maßlose Selbstüberschätzung nennt man das wohl.


Ein weiterer Punkt ist mein Anspruch, eine absolut zuverlässige Kollegin zu sein. Wie oft habe ich schon auf glühenden Kohlen gesessen, während ich auf eine fest eingeplante Geschichte eines Kollegen gewartet habe, der unpünktlich lieferte. Das kam für mich nicht in Frage. Wenn ich ankündige, eine Geschichte um X Uhr zu liefern, dann ist sie auch um X Uhr da, und zwar komplett. Besser noch, ich habe ihn eine Stunde früher fertig.


Eine weitere Variante: Wenn alle den Schreibtisch voll hatten (und ich eigentlich auch), aber eine Geschichte unbedingt ins Blatt muss, dann war immer ich diejenige, die sich freiwillig gemeldet hat. Manchmal grummelnd, aber ich hab es halt gemacht, bevor ein Thema, das ich wichtig fand, unter den Tisch fällt.


Zuverlässigkeit und Lückenlosigkeit ist ein Anspruch, den ich an mich selbst stellte wie der Anspruch, keine halben Sachen abzuliefern. Wenn ich eine Geschichte schreibe, dann hat sie rund zu sein. Und das bedeutet viel Arbeit.


Als letzter Punkt kommt dazu, dass ich zumindest beruflich ein Anerkennungsjunkie bin. Ich bin stolz auf das, was ich abliefere und ich liebe es, wenn positive Resonanz von den Lesern kommt. Ich mag es, wenn mir jemand auf die Schulter klopft und sagt „Gut gemacht“. Ich mag es, wenn bei der Blattkritik meine Geschichten positives Feedback bekommen. Ohne positives Feedback wäre ich unglücklich.


Genau diese Melange hat dazu geführt, dass es dann letzendlich zum Crash kam. Klar gab es auch einige Faktoren von Verlagsseite, die zumindest nicht unbedingt förderlich waren. Aber in der Hauptsache war genau ich daran schuld.


Das habe ich anfangs anders gesehen. Ich war doch nicht selbst verantwortlich! Das waren doch bitteschön alle um mich herum. Gelernt habe ich das dann in vielen Gesprächen mit meiner Psychologin. Einige von euch hatten gefragt, was in solchen Gesprächen überhaupt passiert. Letzendlich ist es ganz einfach: Nach einer Bestandsaufnahme in den ersten Stunden, in der ich einfach alles auf den Tisch brachte, was mich in den letzten 18 Monaten so weit gebracht hatte, haben wir gemeinsam ergründet, wo die Auslöser für den Zusammenbruch lagen.


Ganz viele Dinge sind mir erst im Laufe der letzten drei Monate klar geworden. Die habe ich vorher nie so gesehen, weil ich viel zu tief drinsteckte.


Zu wissen, warum man so gehandelt hat wie man gehandelt hat, ist übrigens erst die halbe Miete. Die Aufgabe, die für mich noch viel schwerer zu knacken sein wird ist, das in Zukunft anders zu machen - irgendwann, wenn ich wieder arbeite. Allein bei dem Gedanken verkrampft sich im Moment noch alles in mir. Daher denke ich einfach noch nicht darüber nach.


Soll ich auch gar nicht. Im Moment ist noch an der Reihe, nur Dinge zu tun, die mir gut tun. Allerdings: So ganz einfach ist das nicht. Denn wenn man so lange Raubbau an sich selbst betrieben hat wie ich, ist es ganz schön schwierig, überhaupt zu erkennen, was einem gut tut. Aber dazu erzähle ich euch demnächst mehr.


Liebe Grüße

Fran



Kommentare

  1. Da hast Du bisher eine sehr gute Therapie-Arbeit gemacht, liebe Fran. Das klingt absolut nach einem fruchtbaren Weg und guter Begleitung durch die Therapeutin. Und auch nach einer Lösung. Denn tatsächlich ist man selbst diejenige, die etwas ändern kann und oftmals muss. Das ist schlimm und gut zugleich wie ich finde.
    Weiterhin alles Gute wünscht Dir sehr herzlich, Sieglinde

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    1. Erstmal ist das tatsächlich schlimm. Wäre ja viel bequemer, wenn man das auf alle anderen schieben könnte. So wie ich das zu Beginn gemacht hat. Das hieße aber eben auch, dass man dem ausgeliefert ist. Dann doch lieber selbst etwas tun können....

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  2. Liebe Fran,
    puh, ja. Ich kann sehr gut verstehen, was da so abgeht gerade in dir und mit dir. Denn ich kann deine Verhaltensweise nachvollziehen. Und der schwierigste Punkt ist mit Sicherheit, zu erkennen, dass man selber auch irgendwas dazu beigetragen hat.

    Aber aus deinem Wesen heraus wie du es vor dem Burnout beschreibst, ziehst du jetzt vermutlich die Kraft zu heilen. Nämlich es ganz zu wollen und die Arbeit erst einmal Arbeit sein zu lassen.

    Gefühlsmäßig finde ich das genau richtig, denn so wird hoffentlich am Ende etwas Ganzes draus, mit dem du gut zurecht kommst. Und nichts halbes, wo es am Ende schlimmer kommt als es war.

    Für mich hört sich das alles ziemlich rund an und ich finde es sehr bewegend und aufklärend, dass du das mit uns teilst.

    Weiter alles Liebe
    Nicole

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    1. Ehrlich gesagt finde ich es schwieriger, den eigenen Anteil auch tatsächlich zu ändern. Verhaltensweisen sitzen tief und die zu ändern ist schwierig... ansonsten wäre wir halt alle superschlank und superfit oder so...

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  3. Ich verstehe Dich mehr als mir lieb ist. Ich bewege mich seit einiger Zeit beruflich in eine andere Richtung. Ich will nicht mehr alles machen. Es gelingt mir bisher leider gar nicht so gut. Denn wie Du schreibst ist es schwierig diese Muster zu durchbrechen.
    Ich wünsche Dir alles Gute Fran und ich finde es sehr interessant wie und in welche Richtung einem geholfen wird und wie Du damit umgehst.
    Liebe Grüße Tina

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    1. Dich beruflich in eine anderen Richtung zu entwickeln ist eine gute Entscheidung. Was du so über deine berufliche Belastung schreibst, klingt echt nicht gut. OK, das ist Corona geschuldet. Aber so eine Belastung über zwei Jahre ist echt heftig. Zumal ihr für viele Menschen dann eben auch noch ein Blitzableiter seid.

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  4. Ich kenne auch viele dieser Gedanken. Aber auch im Job muss man loslassen und Dinge delegieren. Vertrauen haben. Und auch nach oben kommunizieren, wenn etwas zeitlich nicht zu schaffen ist.
    Ich arbeite bewusst nur 28 Std. Denn so ist einfach noch Luft nach oben, wenn Not am Mann ist. Führung und Entwicklung zu Mixen ist ein heißes Pflaster. Ich lasse mich nur noch zu einem Entwicklungsprojekt hinreißen, wenn ich Wellness nötig habe und der Auftrag nicht zeitkritisch ist. Beides ist leider nicht zu schaffen. Aktuell gelingt es mir ganz gut.
    BG und bitte weiter so reflektiert dran bleiben.
    Sunny

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    1. 28 Stunden sind ein Traum. Und falls ich in meinem Job weitermache, werde ich das wohl auch nicht mehr Vollzeit tun. Zumindest vorerst nicht.

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  5. Ich möchte mich einfach nur bedanken für diesen klasse Post, der das Problem (das wir ganz sicher alle irgendwie kennen) sehr gut beschreibt. Ich erkenne mich da auch in teilen wieder, v.a., da ohne mich nix läuft - und wenn ich mal krank bin, alles irgendwie in Katastrophen endet. (Du verstehst ganz genau, wie ich das meine, gell? Natürlich ist dem NICHT so!) Ich erkenne v.a. meine ehemalige Leitung in Deiner Beschreibung, die la auch ein Burnout hatte.
    Ich finde es wirklich bewundernswert, wie viel Du bereits geschafft hast (hm, irgendwie sollte ich das anders formulieren, hört sich wieder so nach Leistung an!). Wie reflektiert Du bist. Ich glaub, das ist der erste große Schritt.
    Mir geht`s eher wie Tina, ich will weniger arbeiten, weiß aber nicht so recht, wie (Stunden reduzieren "dürfen" wir nicht. Aber ich werd trotzdem nochmal nachhaken. Vielleicht geht ja doch was).
    Liebe Grüße und alles Gute weiterhin!!! Maren

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    1. Oh ja, ich verstehe soooo gut, was du meinst. Ihr dürft keine Stunden reduzieren? Was ist denn mit dem Recht auf Teilzeit? Das gibt es doch ab einer bestimmten Betriebsgröße. Und diese vorgeschriebene Größe ist nicht wirklich groß, soweit ich weiß.

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  6. Hallo ,
    eigentlich brauche ich ja nichts mehr zu schreiben. Ist ja schon alles gesagt. :-)

    Im Endeffekt sollte man oder frau viel viel früher auf seinen Körper und Geist hören und früh genug STOP rufen.

    Und dann hat es sich im Laufe der Jahre so eingeschlichen. Und geht so weiter bis nix mehr geht.

    Umdenken ist schwierig und kostet Kraft und dauert lang. Die Gesundheit muss es wert sein.

    Viele Grüße
    Claudia

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    1. Den Zeitpunkt "früh genug" zu erwischen ist echt schwierig. Man schiebt seine Grenzen halt immer weiter hinaus. Teilweise sogar, ohne dass man das merkt.

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  7. Du hast das angesprochen und ich sehe es genauso, nämlich... früher ist man zu Arbeit und hat das geleistet was verlangt wurde. Hat man mehr gemacht oder Überstunden geleistet, hat man ein Belobung bekommen. Heute, soll man, muss man, mehr tun als gesund oder überhaupt erlaubt ist. Man lebt nach zahlen und Statistiken, die man jeden Tag knacken muss. Dankbarkeit bleibt auf der Strecke, es ist alles selbstverständlich. Irgendwann mal, man merkt, man ist nervlich am Ende. Sehr interessanter Beitrag! Ich wünsche dir alles Gute und sende liebe Grüße!

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    1. Ja, so ist das vermutlich. Und 60-Stunden-Wochen gelten ja durchaus auch als Zeichen dafür, dass man erfolgreich ist... Nicht als Zeichen dafür, dass man nicht delegieren kann ;-)

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  8. Wir können uns einem Problem, was auch immer es sein mag, nur stellen, wenn wir uns der Realität dieses Problems und unseres Anteils an diesem Problem bewusst werden. Jemanden zu finden, dem wir die Schuld geben können, gibt uns vielleicht das Gefühl, dass wir ein Problem gelöst haben, aber es ist genau das Gegenteil, genau in diesem Moment beginnen wir, die Kontrolle über unser Leben zu verlieren.
    Du bist auf dem richtigen Weg! Konzentriere dich auf dein Ziel und auf das, was du ändern kannst! Viel Erfolg weiterhin!
    Ganz liebe Grüße,
    Claudia

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    1. Sich dessen bewusst zu werden, dass man ein Problem hat - und dass man a) Hilfe braucht und b) das Problem selbst verursacht, ist unglaublich hart. Ohne meine Familie hätte ich das wohl nicht geschafft.

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  9. Es tut mir wirklich leid, dass es soweit gekommen ist. Ich finde Deine Offenheit beeindruckend. Und die Erkenntnis, dass Dich im Grunde der eigene Anspruch und Ehrgeiz letztendlich krank gemacht ist, ist alles andere als schön. ABER, die Erkenntnis ist der Beginn einer Besserung. Es ist vielleicht auch manchmal eine Leere da, weil Du es gewohnt warst, Deinen Tag bis in die Nacht unter Dauerstress zu gestalten. Da hilft irgendwann auch kein Urlaub mehr. Das macht den Körper und die Seele krank. Du hast Dich viel zu lange im Hamsterrad gedreht. Siehe es als Chance an, einiges zu ändern für DEIN Leben. Dafür brauchst Du bestimmt sehr viel Zeit und die hast Du auf jeden Fall. Ich wünsche es Dir von Herzen, dass Du Dich darauf einlassen kannst, damit es Dir irgendwann wieder gut geht. Vielleicht bist Du in 1-2 Jahren sogar dankbar, Dein Leben in Bezug auf die Arbeit geändert zu haben.
    Ich sende Dir ganz liebe Grüße und wünsche Dir weiterhin viel Kraft ♥.
    Ari

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    1. Ich glaube, dass Offenheit bei diesem Thema wichtig ist. Ein Burnout bzw. eine Depression ist halt etwas, über das viele Menschen nicht unbedingt sprechen möchten, weil dem immer noch ein gehöriger Makel anhaftet. Also hält man die Klappe und macht weiter.
      Ich bin schon jetzt sehr dankbar, dass meine Ärztin die Notbremse gezogen hat. Genauso wie mir klar ist, dass sich in meinem Arbeitsleben gehörig was ändern muss. Was, das werde ich dann sehen.

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  10. Liebe Fran, ich bin auch eine Perfektionistin und aufgeben gibt's nicht und klein beigeben auch nicht. Ich habe dir meine Geschichte zu deinem letzten Beitrag dazu ja auch schon kurz aufgezeigt. Die Frage, wie es zu einem Bournout kommen kann... Das passiert einfach so, Schritt für Schritt und nach und nach und wir merken es nicht oder wollen es nicht wahrnehmen.
    Ich wünsche dir, dass es dir bald wieder besser geht.
    Herzliche Grüße
    Gudrun

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    1. Genau so ist es. Es passiert Schritt für Schritt und wir merken es nicht. Und wenn wir es merken, wollen wir es nicht wahrnehmen... Genauso war es bei mir auch.

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