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Die Schweinderl im Mai: Verunglückte Bloggerreisen und geschwänzte Freitage


Der eine oder andere wird die Sau des Monats vielleicht schon vermissen. Da ich aber im vergangenen Monat kaum Zeit hatte, mich online herumzutreiben, gab es schlichtweg keine. Als Ausgleich für die fehlende Blog-Lese-Zeit habe ich mich aber ganz lange in der Realität herumgetrieben. Kein Wunder, denn für einen Lokaljournalisten sind Wahlkampfzeiten eben meist auch arbeitsreiche Zeiten. Also gibt es die Sau diesmal erst Mitte des Monats. Was nicht schlimm ist, weil ja der Monatsrückblick auf das Monatsende gerückt ist.

Ein winzigkleines Ferkel habe ich online dann etwas verspätet gefunden und innerlich ein bisschen die Stirn gerunzelt. Das darf man ja ab 50 definitiv nur noch innerlich, weil sonst die böse, böse Zornesfalte zu sehr in den Mittelpunkt der alternden Gesichtszüge rückt. Und das ist ganz, ganz schrecklich. Andererseits: Ich hoffe ja immer noch, meine Töchter mit dieser Zornesfalte zu beeindrucken, etwa wenn ich ihnen sage, sie sollen mal ihre Zimmer aufräumen. Bisher kann ich da keine Erfolge vermelden. Vermutlich muss ich die Zornesfalte noch ein wenig trainieren, bis sie wunschgemäß wirkt…

Also zum Ferkelchen: Es begab sich zu einer Zeit vor einigen Wochen, da wurden Blogger und Instagram-Sternchen zu einer Pressereise in die Türkei eingeladen. Fünf Tage Luxushotels standen auf dem Plan. Geniale Sache, da hätte ich auch nicht nein gesagt. Also vermutlich doch, aber das hätte nur daran gelegen, dass mein Urlaub mir zu kostbar für Pressereisen ist. Die Blogger und Instagram-Sternchen reisten also frohgemut los, wurden am Ziel begrüßt und die freundliche Dame, die sie am Flughafen empfing, nahm einem Teil von ihnen die Pässe ab, um sie schon mal im ersten Luxushotel einzuchecken. Dann wurde die illustre Runde in einen Bus gepackt und weit weg gefahren. Derweil verschwanden die angeblichen Organisatoren der Luxusreise mit den Pässen und die Blogger und Instagram-Sternchen saßen irgendwo in der Pampa - ohne Pass und ohne Pressereise. Die gab es nämlich gar nicht.

Eine saublöde Situation: Da stehst du nachts irgendwo in der Türkei und hast keinen Pass, kein Hotelzimmer und vermutlich auch nicht allzuviel Bargeld dabei. Abgesehen davon, dass es vermutlich einen Moment braucht, um zu merken, dass man betrogen wurde und damit klar zu kommen, dass das jetzt so ist. Ja, eine solche Situation ist ganz sicher nicht schön.

Was ich aber schräg fand, ist die Tatsache, dass der eine oder andere der Gruppe tatsächlich befürchtete, als „Journalist“ jetzt für immer in der Türkei als verschollen zu gelten. Denn man weiß ja: Für Journalisten ist die Türkei ein heißes Pflaster. Äh ja. Wenn sich Blogger und Instagramer mit einem Deniz Yücel oder anderen Journalisten, die tatsächlich in türkischer Haft schmoren oder schmorten, vergleichen, ist das in meinen Augen einfach nur unfreiwillig komisch. Journalismus ist dann doch vielleicht etwas anderes als Bloggen oder Instagramen. Aber vielleicht ist das auch nur meine gekränkte Berufsehre *grins*.

Die Sau des letzten Monats fand dagegen eher nicht online statt. Das war in meinen Augen das Ergebnis der Europawahl. Eine Klatsche für die großen Volksparteien, die Grünen im Aufwind und Nico Semsrott im Europaparlament. Es gibt eben doch noch Überraschungen.

Da kommt ein Youtuber mit *entrüsteten Ton einschalt* BLAUEN Haaren und schafft es, seiner Generation etwas über Politik zu vermitteln! Da kommen SCHULSCHWÄNZER und bewegen was! Hallo? Die sollen sich doch bitte mit linearer Algebra beschäftigen. Oder mit Rechtschreibung. Oder so. Das sehen ganz viele Menschen so. Nicht nur der Herr Lindner. Und Gottseidank sehen das auch ganz viele Menschen anders. Denn jeder junge Mensch, der jetzt gelernt hat, dass er eben doch etwas ändern kann, der wird genau das weiterhin versuchen. Was ist dagegen bitte lineare Algebra? Und während ganz viele ältere Menschen immer noch - Ausnahmen bestätigen die Regel und haben vermutlich Kinder im Friday-for-Future-Alter - da sitzen und es ihnen einfach nur egal ist, wer uns warum regiert oder nicht und die sich Sorgen darüber machen, ob Kerosin tatsächlich irgendwann besteuert und die Flugreise damit teurer wird, lernen die Kids, dass sie gemeinsam etwas bewegen können. Hey, das ist großartig!

Ach ja, und an all diejenigen, die den bösen Schuleschwänzern sagen möchten, sie sollen doch bitte anstatt zu demonstrieren, erstmal den Müll vom Schulhof sammeln und sich bitte nicht mit dem SUV der Mutti zur Schule bringen lassen: Zumindest die jungen Leute, die ich in den letzten Monaten und Wochen kennengelernt habe, als ich mich jobmäßig mit den Demonstrationen beschäftigt habe, die tun längst was. Die sind Vegetarier oder Veganer, die tragen faire Kleidung, die arbeiten in Ökologieprojekten, die fahren Rad und die steigen nicht in ein Flugzeug. Auch wenn das bedeutet, dass das Auslandsjahr in Übersee eben nicht stattfindet - sie verbringen es stattdessen in Spanien - inklusive Zugfahrt. Man höre und staune: SUV-Kids können nämlich auch umdenken. Und sie stecken viele, viele andere an mit dem, was sie tun. Sogar ihre Eltern. Finde ich großartig.

In diesem Sinne liebe Grüße

Fran

Kommentare


  1. Ich finds gut, dass sich die Jugend heute stark macht. Ich hatte die Hoffnung schon fast aufgegeben. Wir waren auch nicht anders. Und brannten für unsere Ideale, gingen auf die Straße dafür.
    BG Sunny

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    1. Jugendliche, die nicht für Ideale brennen, wären aber auch merkwürdige Jugendliche, finde ich. Wer, wenn nicht sie sollten etwas ändern wollen?

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  2. Endlich tut sich was. Auch wenn der ein oder andere Jugendliche vielleicht nur als Trittbrettfahrer dient. Man hat es ja an den Wahlergebnissen gesehen, dass die Politik so nicht weitermachen kann.

    Türkei? Wäre jetzt nicht mein bevorzugtes Reiseziel - auch nicht als Blogger(journalist).

    Liebe Grüße Sabine

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    1. Die Türkei ist toll. Ich war ja im letzten Jahr in Istanbul (ohne Angst übrigens) und die Stadt ist wirklich toll. Ich würde gern wieder mal hin. Aber was Herr Erdogan da abzieht, muss ich mir nicht geben. Angst hätte ich aber noch immer keine.

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  3. Huch und man hat den Bloggern den Flug bezahlt um die Pässe zu klauen? echt jetzt? Ach jeh :)
    Und sind die noch in der Türkei? :))

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    1. Naja, ein deutsche Pass dürfte um ein Vielfaches teurer sein als ein Billigflug. Die Blogger sind längst wohlbehalten wieder zuhause. Soweit ich das mitbekommen habe, hat Herr Erdogan keinen von ihnen kassiert. Der konzentriert sich lieber auf lohnendere Ziele.

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  4. Das Blog Event habe ich nicht mitbekommen. Ich lese scheinbar nicht an den richtigen Stellen. Trotzdem nicht schön für die Mädels. Was mir fehlt, ist der Sinn hinter der Geschichte. Wahrscheinlich ist ein Flug billiger als ein gefälschter Pass.
    Ich bin übrigens froh, dass eine Generation endlich wieder mal aufsteht. Irgendwie hatte ich den Eindruck, dass alle ein bisschen bequem geworden sind. Und mal ganz ehrlich, haben wir uns aufhalten lassen? Nö. Zum Glück, wo wären wir, wenn sich nicht junge Menschen zu allen Zeiten dafür interessiert hätten, was mit Arbeitsbedingungen, Umwelt etc. ist. Gut, dass mal wieder Bewegung in die Welt kommt.
    Liebe Grüße
    Andrea

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    1. Ein Flut ist definitiv billiger als ein Pass. Deutsche Pässe sind begehrt - darf man mit ihnen doch so ziemlich in jedes Land der Erde reisen. Und das ist in der Tat nicht bei vielen Pässen der Fall.
      Ich finde es toll, dass die Jugendlichen laut werden. Denn sie müssen immerhin noch einige Jahrzehnte auf dieser Erde leben. Oder auf dem, was wir davon übrig lassen.

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  5. Ist so ein Pass denn so viel wert, dass man so einen Bohei veranstaltet? Flug bezahlen, Leute irgendwo hinbringen...? Nun ja, scheinbar wird's ein paar Fälschern schon was wert sein...
    Ich bin keine Journalistin, finde aber dieses Wichtig-Getue von einigen Blogger/Innen schon manchmal etwas... nun ja. Wer's braucht. Natürlich war die Situation an sich bestimmt nicht lustig, aber die waren ja in der Gruppe (nicht allein) und als Deutsche an einer Botschaft einen Ersatzpass zu beatragen ist ja nicht das Problem! Eine Kollegin wurde auch vor einigen Monaten wegen eines abgelaufenen Passes eine ganze Woche in der Türkei festgehalten, das Nervigste war der ganze Ämterkram - die ist allerdings Türkin. Kann mir nicht vorstellen, dass Deutsche da ein Problem haben.
    Die Schülerdemos find ich klasse! Und was soll ich sagen: es ist halt die Generation, die nach uns kommt. Wir haben ein bisschen gegen den Golfkrieg demonstriert, und sind danach ins hippe Cafe, weil's echt kalt war. Sorry, war aber so. Kein Wunder, dass die Jungen anders sind :-DDD
    Liebe Grüße Maren

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    1. Ja, ein deutscher Pass ist in einschlägigen Kreisen kein Schnäppchen. Einen Billigflug und eine Busfahrt kann man dafür schonmal springen lassen.
      Und nein, Deutsche haben eher kein Problem, wenn ihr Pass in der Türkei geklaut wird. Probleme haben türkischstämmige Journalisten - und zwar nicht die, die bei Modezeitschriften arbeiten... Oder eben deine Kollegin. Für sie war das vermutlich absolut nicht witzig.
      Hippes Café gab es bei uns keines. Aber wir haben halt das nicht-hippe genommen. Oder gleich die Kneipe. Äh ja. Aber immerhin bin ich mal auf Bäume geklettert, damit sie nicht gefällt werden. Hat allerdings nicht wirklich geklappt. Heute sind sie weg.

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  6. Toller Blog! Ja das war wirklich eine schräge Sache mit der Bloggerreise, dies zeigt man sollte nicht alles glauben... deshalb arbeite ich nur mit Firmen zusammen die ich kenne. Aber ja Instagrammer sind nun wirklich keine Journalisten.

    Liebe Grüsse

    xx Priscilla

    thechicadvocate.com

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    1. Danke :-) Die Bloggerreise war in der Tat schräg. Aber die Gauner hatten es ihnen Opfern auch nicht unbedingt einfach gemacht, das zu durchschauen.

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