Original und Fälschung

 Ja, ich weiß. Filter sind ein alter Hut. Nichts, worüber man Worte verlieren müsste. Dachte ich eigentlich. Und dann sah ich kürzlich eine Instagram-Story, in der eine gestandene Frau um die 50 frei von der Leber weg erzählte, dass ihre Follower sie gebeten hätten, doch mal den Filter wegzulassen, den sie immer benutzt. Und sie kündigte an, dass sie das nicht tun werde, weil sie sich selbst ohne Filter nicht ertragen könne. Es gebe sie nun mal nur gefiltert und wem das nicht passe, der möge ihr halt entfolgen.

Meine erste Reaktion: Hut ab. Das ist tough. Die Frau hat Mut und ist konsequent bis ins Letzte.

Meine zweite Reaktion: Wie schade ist es eigentlich, wenn eine Frau so sehr mit ihrem Aussehen hadert, dass sie sich nur gefiltert in die „Öffentlichkeit“ traut.

Wir lesen ständig darüber, was social media mit jungen Mädchen macht. Wie unglaublich groß und schädlich der Einfluss auf Teenies ist, die dank gefilterter Bilder eine völlig falsche Vorstellung von Körperformen bekommen. Und selbstverständlich können erwachsene Frauen damit viel souveräner umgehen. Können sie das?

Die Instagramerin ist das, was man eine gestandene Frau nennen würde. Sie verdient ihren Lebensunterhalt mit Instagram und ich vermute, das ist kein einfacher Job und vor allem einer, der sehr viel Arbeit verlangt. Sie managed das allein, ist sehr sympathisch. Und ich finde, sie sieht auf den sehr, sehr seltenen Bildern, die sie ungefiltert von sich zeigt, eben auch so aus. Sympathisch, mitreißend und - irgendwie normal. Wie eine sehr gepflegte Frau um 50 eben. Sie muss sich ganz sicher nicht verstecken und noch sicherer nicht hinter einem Filter.

Und doch tut sie es. Klar, der Filter sorgt dafür, dass sie mindestens zehn Jahre jünger aussieht. Sämtliche Falten sind verschwunden, die Gesichtskonturen geglättet und die Lippen und Wangen ein bisschen voller und praller. Aber eben auch anders als ihr wirkliches Ich.

Und wenn ich dann wieder mal lese, dass Frauen um 50, die gern als Influencer groß rauskommen möchten, darüber klagen, dass man ja in diesem Alter für die großen Marken unsichtbar sind, dann frage ich mich schon, ob das nicht einfach nur logisch ist.

Denn wenn man selbst so wenig zu seinem Alter steht, dass man sämtliche Spuren wegfiltert, warum sollten einen dann die Marken ernst nehmen? Warum sollten die mit einer 50-Jährigen werben, wenn die doch auf 30 gefiltert ist? Da würde ich dann doch auch lieber eine „echte“ 30-Jährige engagieren.

Letzendlich muss jeder selbst wissen, wie er sich sehen möchte. Aber wie gesagt: Wenn man sein eigenes Spiegelbild nicht mehr erträgt und sich der Öffentlichkeit nicht ohne Filter präsentieren mag, dann läuft da doch was falsch. Und zwar egal ob man 15 oder 50 ist.

Aber vielleicht sind meine unretuschierten und ungefilterten Fotos hier ja auch eine Zumutung für den Rest der Welt… ;-) Spaßeshalber habe ich deshalb einmal ausprobiert, was so ein Instagram-Filter aus meinem Gesicht macht. Sunny hat das kürzlich schonmal gezeigt. 

Ich fand mich - fremd. So wie ich mit Filter aussehe, sehe ich eben nicht aus. Und so mag ich mich auch nicht sonderlich, auch wenn sämtliche Falten geglättet und alle Unregelmäßigkeiten verschwunden sind, ich also in den Augen der meisten Menschen gefiltert attraktiver aussehe als pur. Aber immerhin habe ich jede Falte und jeden Schatten unter den Augen hart erarbeitet *grins*.

Im Ernst: Ich bin so alt wie ich bin und ich bin genau genommen ziemlich stolz auf das Leben, das man mir ansieht. Sogar wenn ich im Moment in einer Tagesklinik versuche, wieder ins Gleichgewicht zu kommen. Ein fehlender Filter ist definitiv nicht dran schuld. Den brauche ich nicht. Ich mag mich nämlich ziemlich gern.

Liebe Grüße

Fran