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Diagnose Burnout: Wie peinlich ist das denn?



Da steht man dann also mit der Überweisung vom Hausarzt an einen Psychiater, auf der steht: Burnout/schwere Depression. Aua. Ich wollte doch gar keine Überweisung. Ich wollte maximal zwei Wochen Ruhe, um irgendwie wieder in die Spur zu kommen. Und bitteschön eine Pille, die macht, dass es mir wieder gut geht. Denn, das wissen die, die hier schon länger lesen: Ohne mich geht ja mal gar nix, und schon gar nicht eine Zeitung. Das habe ich tatsächlich gedacht.


Und außerdem: Was sage ich denn, wenn ich gleich meinen Chef anrufe? Burnout geht ja mal gar nicht. Depression noch weniger. Ist nicht so, dass das völlig unbekanntes Terrain für mich gewesen ist. Ich weiß von zwei Menschen, die mit einem Burnout lange Zeit ausgefallen sind. Mit Blick auf diese Menschen hatte ich selbst schändlicherweise eine Augenbraue hochgezogen und mir gedacht: „Aha. Burnout. So ein Blödsinn. Sollen sich mal nicht so anstellen und sich zusammenreißen“. Tja, und nun saß ich selbst drin. In einer Krankheit, die ich nie für voll genommen hatte, die mir ungeheuer peinlich war und die ich für mich völlig ausgeklammert hatte. Im Zusammenreißen war ich ja Meister.


Was also tun? Ich entschied mich sehr schnell, damit offen umzugehen. Ich bin ein offener Mensch und irgendjemandem irgendeinen Bären aufzubinden, das ist nicht mein Ding. Also rief ich meinen Chef an und sagte ihm, dass ich voraussichtlich länger fehlen werde und dass ein Burnout diagnostiziert wurde. Er bedankte sich für die Information und meinte, ich soll jetzt in erster Linie wieder gesund werden und mich melden, wenn der Verlag mich irgendwie unterstützen kann. Fand ich gut. Er hätte mir schließlich auch sagen können, dass das bei der knappen Personallage eine Katastrophe ist. Hat er nicht getan. Rechne ich ihm hoch an.


Mit meinen Kollegen habe ich seit diesem Tag kaum Kontakt. Lediglich mit einer Kollegin habe ich zwischendurch ein paar Nachrichten geschrieben und sie war platt, dass man auf eine Therapie so lange warten muss. Das ist vermutlich normal, wenn man sich damit noch nie beschäftigt hat. Ich habe es ganz ehrlich ein bisschen als Vorwurf empfunden. So nach dem Motto: „Ach, und bis dahin liegst du auf der faulen Haut?“ War vermutlich nicht so gemeint. Aber ich sah nur meine eigenen Gedanken, die ich bis dahin hatte.


Keiner meiner Kollegen hat im letzten Jahr mitbekommen, wie es mir ging. Das habe ich gekonnt versteckt. Denn egal wie mies es mir ging, ich hatte immer noch genügend Energie, um niemanden etwas merken zu lassen. Die Fassade stimmte. Und damit sie nicht bröckelte, war ich eben hauptsächlich im Homeoffice. Für die Dauer einer Konferenz kann man sich prima zusammenreißen. Hätte ich ganze Arbeitstage im Büro verbracht, hätte das wohl anders ausgesehen.


Sehr, sehr viel Verständnis habe ich auf privater Ebene erfahren. Auch da gehe ich sehr offen mit dem Thema um. Bisher habe ich niemanden erlebt, der auch nur ansatzweise dumm geguckt hat. Meine Familie ist superlieb. Kein Wunder, ich hab ja eine inzwischen fast fertige Psychologin im Zimmer nebenan. Ich hab mich ja lange Zeit gefragt, was die in ihrem Studium so gelernt hat. Inzwischen weiß ich es und ziehe meinen Hut.


Was mir auffällt: Überraschend viele Menschen, die ich privat kenne, berichten mir, dass sie zwar nicht so nah vor dem Zusammenbruch sind wie ich, aber dass ihnen der Stress im Job sehr zu schaffen macht. Das hat ganz unterschiedliche Ursachen. Aber die Reaktion ist überall gleich: Ihnen bleibt immer weniger Energie und Motivation für das Leben und das eine oder andere körperliche Wehwehchen tritt auf.


Was wirklich problematisch ist: Kein Mensch weiß, wohin er sich mit so etwas wenden kann. Therapeuten und Therapieplätze gibt es viel zu wenige, zum Psychiater geht man in der Regel nicht freiwillig. Ich hatte Glück und habe auf Anhieb den richtigen Gesprächspartner gefunden.


Und falls jemand jemanden in Hamburg kennt, der betroffen ist: Die Tagesklinik Stressmedizin der Asklepios Klinik in Harburg ist unglaublich gut - aus meiner Sicht. Ich habe fast sechs Wochen dieser achtwöchigen Therapie hinter mir und mir geht es so viel besser als vor sechs Wochen.


Liebe Grüße

Fran



Kommentare

  1. Liebe Fran,
    ich finde es aus vielen Gründen total super, wie und dass du das Thema so offen angehst und es damit auch ein Stück weit hinter dem Ofen hervorholst. Und dieser Text gefällt mir besonders...

    Denn Theorie ist das eine, deine 'Praxis ein Stück weit miterleben zu dürfen, ist sowohl für Betroffene als auch für nicht Betroffene sehr erhellend. Und wichtig.

    Erfreulich ist es zudem, denn man sieht dir förmlich dabei zu, wie es in gutem Tempo aufwärts geht. Wie du deinen eigenen Skeptiker überzeugt hast, dass du diese Hilfe annehmen musst, kannst und darfst.
    Dass Worte wie Achtsamkeit eine viel tiefere Bedeutung haben.

    Umso besser, dass du eben auch die richtigen Menschen an deiner Seite weißt, sowohl medizinisch als auch privat.

    Es ist einiges überdenkenswert in dieser Leistungswelt, denn ja, viele Menschen sind erschöpft, weil es ein Zuviel gibt, von dem uns vorgemacht wird, dass das so muss. Und wir es deshlab oft nicht zugeben.

    Also Danke für das alles hier.
    Liebe Grüße und den Rest weißt du...
    Nicole

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    1. Gerade weil ich selbst einen Burnout so geringschätzig beurteilt habe, finde ich Offenheit wichtig, Ein Burnout ist schlimm, eine schwere Depression eben. Kein "null Bock auf Arbeit". Und ich hoffe, vielleicht dem einen oder anderen Mut machen zu können, sich einzugestehen, dass es so nicht mehr weitergeht. Ich brauchte dazu meine Familie. Allein hätte ich das nie geschafft.

      Und ja, die Hilfe, die ich bekomme, ist großartig. Eines der großartigsten Elemente ist die Achtsamkeit. Habe mich lange drüber lustig gemacht. Inzwischen weiß ich, was Achtsamkeit wirklich bedeutet und lache garantiert nicht mehr drüber.

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  2. Dein offener Umgang mit Deiner Krankheit ermöglicht es anderen sich auch helfen zu lassen und sogar noch eine gute Adresse zu bekommen.
    Es liest sich gut, wie Deine Umgebung damit umgeht und wie es Dir hilft. Ich freu mich mit!
    Herzlich, Sieglinde

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    1. Ich hoffe, dass es so ist. Dass meine Beiträge anderen helfen.

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  3. :-) Liebe Fran,
    mir gefällt wie offen Du mit Deinem Burnout umgehst. Viel zu viele Menschen haben ähnliche Symptome und trauen sich nicht zuzugeben, dass es ihnen schlecht geht.
    Ein guter Gesprächspartner - z.B. in Form einer/r Therapeut:in - kann kleine Wunder bewirken. Mir hat das sehr gut getan. Und zu wissen, dass man immer wieder mit dem Menschen sprechen kann, ist wie einen Schummelzettel im Schuh versteckt zu haben, wenn man in eine Prüfung geht - ein kleines Sicherheitspolster.
    Weiterhin alles Gute für Dich!
    Liebe Grüße
    Claudia :-)

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    1. Ich habe die Symptome ja auch lange genug ignoriert... bis es eben zum Zusammenbruch kam. Und das ist typisch für Burnout-Patienten. Die funktionieren so lange, bis eben nichts mehr geht. Wer gibt schon gern zu, dass er der Arbeitswelt nicht mehr gewachsen ist?

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  4. Bei dem was Du hier schilderst, bin ich sehr zuversichtlich, dass Du gesund wirst und Deine "Stressoren" in Schach wirst halten können.
    Ich drücke fest die Daumen, weiterhin viel Erfolg.
    BG Sunny

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  5. Hach Fran, durch Dich habe ich tatsächlich gelernt anders mit evtl. betroffen Patienten und auch mir umzugehen. Ich hatte immer ähnliche Gedanken wie Du. Nur die Harten kommen in den Garten. Ich freue mich total dass es so lief bei Dir wie es jetzt läuft und Du mit der Klinik große Hilfe gefunden hast. Nur noch 2 Wochen? Wahnsinn wie die Zeit vergeht.
    Liebe Grüße Tina

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    1. Ja, das ist wirklich irre, wie die Zeit vergeht. Acht Wochen schienen mir endlos lang. Und jetzt würde ich gern nochmal acht Wochen anhängen :-)

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  6. Wenn ich in einer akuten Stressphase bin, ertappe ich mich ehrlicherweise manchmal mit dem Gedanken "Jetzt hätt ich auch gerne ein Burnout!" Ist natürlich Schmarrn, was ich meine ist vielmehr: "Ich hätte gern Urlaub!"... natürlich ist mir klar, dass ein Burnout nicht schön ist und ich es auf keinen Fall will. Aber dass es immer mehr Menschen mit dieser Diagnose gibt, hat sehr viel mit der Situation (ich kann`s jetzt nur ganz direkt für den sozialen Bereich sagen:) zu tun: immer mehr und immer hilfsbedürftigere Klienten bei zeitgleichem Personalmangel machen den Stress für die "Verbliebenen" ja nicht geringer... die sollen dann das stemmen, wofür man keine Leute mehr bekommt, weil`s seit Jahren im System hapert.
    Was Du schreibst, hört sich sehr gut an! Super, wie Dein Chef reagiert hat. Verständlich vielleicht, dass Deine KollegInnen (da selbst in der Tretmühle gefangen) nicht alle so verständnisvoll reagieren können.
    Wenn ich heute nochmal vor der Wahl stünde, würde ich auch Psychologie (und nicht Soziale Arbeit) studieren. Man hat viel mehr Möglichkeiten und wird auch besser bezahlt.
    Liebe Grüße und weiterhin alles Gute!

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    1. "Ich hätte gern Urlaub" habe ich auch sehr lange gedacht. Und festgestellt, dass Urlaub einfach nicht mehr hilft. Zumal es genauso war wie im sozialen Bereich: Man kommt zurück und macht mit vier Menschen die Arbeit, die früher mal acht gemacht haben.
      Ein Psychologie-Studium reizt mich auch gerade sehr. Dummerweise wäre ich bei zehn Semester bis zum Master und zwei Jahren Therapeutenausbildung im Anschluss schon fast im Rentenalter, wenn ich fertig bin... Aber wer weiß, vielleicht mach ich das trotzdem.

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  7. Gut, dass Dein Chef so reagiert hat. Wenn zur Krankheit auch noch Unverständnis dazukommt, macht es das nur schlimmer. Du hattest wirklich Glück, so schnell einen Therapieplatz zu bekommen.

    Ich habe vor Jahren schon meine Arbeitszeit reduziert, weil ich es nicht mehr hinbekam. Da musste ich die Notbremse ziehen. Erste Anzeichen von Burnout waren bereits vorhanden. Habe ich Gott sei Dank rechtzeitig gemerkt.

    Liebe Grüße
    Sabine

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    1. Dass ich den Platz so schnell bekommen habe, war tatsächlich schlicht und ergreifend Glück. Die Ambulanz, in der ich zu Beginn gelandet bin, gehört zu der Klinik, die die Therapie anbietet. Es gibt alle zwei Monate 20 Plätze. Und das wars dann. Viel zu wenig.

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  8. Ich glaube, dass die Mehrheit aller Menschen hadert mindestens einmal in ihrem Leben mit ihrer Psyche und nicht nur wegen Stress im Job, auch private Probleme können überfordern und zum Burnout führen. Das Burnout-Syndrom wird oft unterschätzt, was bedauerlich ist!
    Du bist auf dem richtigen Weg und ich freue mich sehr, dass du mit deiner Therapie zufrieden bist. Weiterhin alles Gute!
    Claudia

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    1. Aber ja. Und letztendlich sind die Probleme im Job auch nur ein Ergebnis von Problemen, die ganz woanders entstanden sind. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass in der Klinik quasi das ganze Leben hinterfragt und umgekrempelt wird. Das hat erstmal richtig wehgetan. Aber der Job ist nun mal nicht isoliert vom restlichen Leben.

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  9. Liebe Fran, wenn ich bei dir lese, kommt bei mir immer: Das bin ich.
    In so vielem gleicht sich unser Weg, nur dass ich nicht über so einen langen Zeitraum krankgeschrieben wurde und ich keine Überweisung bekam - vor 30 Jahren. Ich habe meinen Ärzten die Bude eingerannt, weil ich einfach nicht mehr konnte und um jede Krankschreibung musste ich kämpfen. Aber ein oder zwei Wochen haben es dann auch nicht gebracht. Burnout war noch nicht so bekannt. Ich habe mich über viele Jahre da selbst rausgeholt.
    Ich freue mich, dass es dir besser geht.,Weiterhin alles Gute.
    Herzliche Grüße
    Gudrun

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    1. Ist es nicht schrecklich, dass das vor 30 Jahren keiner ernst genommen hat? Ok, heute gibt es auch noch genug Menschen, die meinen, man solle sich doch bitte zusammenreißen. Aber die Ärzte reagieren, zumindest teilweise. Wobei viele meiner Mitpatienten erstmal von ihrem Arzt die Antwort bekommen haben: Zwei Wochen Urlaub werden es schon richten.
      Mich da selbst rauszuholen, das hätte ich vermutlich nicht geschafft. Ich hab ja nichtmal gemerkt, wie tief ich da drin sitze.

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