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Bloggeraktion: Essentials




Um Essentials soll es also heute bei den Ü30-Bloggern gehen. Und was heißt das? Essentials kann man auf viele Arten übersetzen. Ich muss das wissen, schließlich habe ich in einem früheren Leben mal ein Studium zur Diplom-Übersetzerin absolviert. Essentials könnte man mit dem Kern der Dinge, dem Wesentlichen übersetzen.


Und was ist in meinen Augen das Wesentliche? Kein Kleidungsstück. Kein Lippenstift. Das, was für mich wesentlich ist, bin ich selbst - und eine gute Handvoll anderer Menschen. Meine Kinder, mein Liebster, meine Freundinnen und Freunde. Menschen, die ich sehr, sehr lieb habe. Aber essentiell für mich bin ich erstmal selbst. Klingt egoistisch? Ist es gar nicht.


Vor zwei Jahren hätte ich vermutlich meinen Job an die erste Stelle im Leben gesetzt. Nein, Stop. Der rangierte immerhin noch hinter den Kindern. Aber durchaus sehr, sehr weit oben. Dann kam der Burnout und mit ihm viele, viele Stunden Nachdenken über mich und mein Leben und diverse unangenehme Wahrheiten, über die man nicht wirklich gern nachdenkt. Aber das gehört nun mal dazu.


Am Ende dieser Entwicklung stand die Erkenntnis, dass ein Job nicht dafür sorgen kann, dass ich ein glückliches Leben führe. Das muss ich schon selbst tun. Und dazu muss ich mich um mich selbst kümmern, so gut es eben geht. Klingt schon wieder egoistisch? Ist es immer noch nicht.


Bis vor etwa 18 Monaten habe ich mich um alles Mögliche gekümmert, bloss nicht um mich. Ich war für jeden da, immer und überall. Nur für mich - nicht. Wenn das, was Mitte März passiert ist, nämlich der Schlaganfall meines Liebsten, damals passiert wäre, will ich mir gar nicht ausmalen, was mit mir passiert wäre. Mich um ihn, die Reha, die Klinik und alles, was dranhängt, zu kümmern wäre definitiv nicht drin gewesen. Abgesehen davon, dass ich dafür keine Zeit gehabt hätte - oder mir das zumindest eingebildet hätte - hätte mir die Kraft dafür völlig gefehlt. Ich nehme an, ich wäre innerhalb kürzester Zeit zusammengeklappt und hätte mich in einer psychiatrischen Klinik wiedergefunden. Ok, da war ich auch ohne seinen Schlaganfall, aber immerhin nur acht Wochen lang ;-)


Ich bin unsagbar froh, dass ich im Laufe des vergangenen Jahres gelernt habe, mich um mich selbst zu kümmern und dafür zu sorgen, dass es mir gut geht. Denn nur das sorgt dafür, dass ich in den vergangenen sieben Wochen nicht wahnsinnig geworden bin, sondern frohgemut und voller Vertrauen darauf, dass alles wieder gut wird, in die Klinik fahre und für meinen Liebsten da bin. Als Motivator, als Gehhilfe, als Überbringer von sauberen T-Shirts und Cheeseburgern ;-) und manchmal, in frustigen Momenten, auch als Blitzableiter.


Meine Freundin hat mir in der vergangenen Woche gesagt, dass sie mich bewundert, weil ich die ganze Zeit so positiv bleibe und niemals verzage. Warum sollte ich? Es gibt riesige Fortschritte zu vermelden. Im Moment sieht es so aus, als ob das Ende der Klinikzeit in wenigen Wochen erreicht ist. Klar könnte ich jetzt hadern, dass passiert ist, was passiert ist. Aber würde das etwas ändern? Nein. Würde es nicht. Also hadere ich nicht, sondern bin einfach nur dankbar, dass er lebt und mit ein wenig Glück wieder ganz gesund wird. Oder wenigstens fast. Das ist so viel mehr als ich anfangs erwartet habe.


Und wie genau kümmere ich mich jetzt um das, was mir am wichtigsten ist? Also um sich selbst? Ganz einfach: ich höre in jeder Minute auf mich selbst. Naja, in fast jeder Minute. Es gibt Ausnahmen. Dann hör ich auf die Damen Töchter ;-) Und wie geht das? Dazu gibt es jetzt ein paar Tipps, damit dieser Post dann irgendwie noch einen Mehrwert hat. Oder so.


1. Ich mache mir keinen Stress mehr

Wenn ich eines gelernt habe, dann Stress zu vermeiden. Klar gibt es auch bei mir Tage, an denen ich eigentlich drölfzig Dinge auf dem Zettel habe. Wenn ich aber merke, dass ich diese drölfzig Dinge nicht schaffen kann, dann schmeiße ich sie vom Zettel. Als erstes fliegt Hausarbeit runter. Die läuft nämlich definitiv nicht weg, die ist garantiert auch morgen oder übermorgen noch da. Und wen interessiert es wirklich, wenn nicht gesaugt oder die Wäsche nicht gewaschen ist? Niemanden. Anstatt mich zu verausgaben wie ich es früher mal getan habe, weil irgendwelcher Kram ja schließlich auf der Liste steht, streiche ich ihn einfach, wenn er nicht zeitkritisch ist. Und schenke mir stattdessen auch gern mal eine Stunde Lesen auf dem Sofa.


2. Ich bin auf Priorität eins

Ich frage mich täglich, was mir an diesem Tag wichtig ist. Ich möchte morgens in Ruhe schwimmen und anschließend noch eine Runde meditieren - da muss ich mich auch nicht mehr fragen, das weiß ich. Also liegt kein Termin vor neun Uhr. Punkt. Von dieser Regel weiche ich nur in ganz besonderen Ausnahmefällen ab. Ich cancel keine Treffen mit Freunden mehr. Die sind mir wichtig. Also finden sie möglichst statt - außer es gibt wirklich einen wichtigen Grund oder ich habe wieder mal meine Terminplanung nicht unter Kontrolle (siehe Punkt 3). Und ich plane ganz bewusst Pausen in meinen Tag ein. Die sind mir dann auch heilig. Dann gibt es einen Kaffee und ein Buch und sonst nix. Ich bin stolz darauf, dass ich das inzwischen kann. Denn es gab Zeiten, da war es für mich völlig unmöglich, „unproduktiv“ zu sein. Versuchte ich es, wurde ich innerhalb kürzester Zeit wahnsinnig unruhig und konnte keine Minute mehr stillsitzen. Ein Buch zu lesen war utopisch für mich. Das konnte ich nicht mehr.


3. Ich und mein Kalender

Ich führe einen Kalender auf Papier. Nennt mich altmodisch, aber ich trage am Sonntag alle wichtigen Termine für die kommende Woche ein und lege dann den Rest meiner Aufgaben irgendwie drumherum. Aus Gründen. Und habe kein Problem damit, diesen Rest auch wieder zu streichen, wenn es mir nötig erscheint. Der Kalender ist nichts, woran ich mich sklavisch halte. Aber wenn da „Pause“ steht, dann ist auch Pause. Und dabei ist es egal, ob ich das mit dem Saugen vorher noch geschafft habe oder nicht.


4. Ein Job ist ein Job

Ich bin in der glücklichen Lage, nur noch Teilzeit arbeiten zu müssen und ich weiß sehr genau, dass das ein ungeheurer Luxus ist. Den genieße ich. Ich mag meinen Job. Aber ich definieren mich nicht mehr darüber. Mein Job ist mein Job. Er soll mir Spaß machen. Aber er ist nicht mein Leben.

Und auch die Ausbildung zur Heilpraktikerin macht viel Spaß. Aber ich habe den Termin für die noch fehlende mündliche Prüfung gerade um einige Wochen verschoben, weil ich im Moment keine Kapazitäten habe, mich so vorzubereiten wie ich es gern möchte. Also lasse ich mir einen Monat länger Zeit. Oder zwei. Anstatt wie eine Verrrückte bis in die Nacht zu büffeln. Abgesehen davon kommt im Anschluss sowieso noch eine Therapieausbildung. Da sind zwei Monate länger oder kürzer nicht kriegsentscheidend.

Von dem Perfektionismus, der mich bislang getrieben habe, habe ich mich endgültig verabschiedet. Naja, nicht ganz: Wenn ich zur Prüfung antrete, möchte ich sie auch bestehen.


5. Positive Vibes only? Nö.

Dank 1 bis 4 geht es mir gut. Manchmal umverschämt gut, trotz allem. Aber es darf auch Tage geben, an denen mir das Glück nicht zu den Ohren rauskommt. Tage, an denen ich wütend bin, Angst habe oder an denen ich traurig bin. Das ist völlig normal. Ich nehme diese Tage wie sie kommen und freu mich über die positiven Momente, die sie trotz allem haben. Für solche Tage habe ich meine Bohnen in der Tasche und die wechseln in jedem Moment, in dem ich trotz allem strahle, die Hosentasche. So wird selbst aus dem blödesten Regentag am Ende doch ein Tag mit Glücksmomenten.

Aber Gefühle wie Wut, Angst oder Trauer wegzudrücken und sich zu verbieten ist Blödsinn und funktioniert auf Dauer ohnehin nicht. Kein Mensch kann ein dauergrinsendes Glückbärchi sein. Das können nur Glücksbärchis ;-) Abgesehen davon finde ich es auch gar nicht erstrebenswert, dauer-glücklich zu sein, denn irgendwann kommt man vermutlich an einen Punkt, an dem man das Glück nicht einmal mehr registriert.


Liebe Grüße

Fran


P.S. Was die anderen Teilnehmerinnen der Blogparade als Essential betrachten, erfahrt ihr in ihren Posts. Guckt mal rein!

Kommentare

  1. Guten Morgen Fran, ich freue mich dass es so gut voran geht mit der Rehabilitation.🌺
    Deine Tipps unterschreibe ich, ich wäre wohl längst gaga wenn ich nicht ständig für meine Auszeiten kämpfen würde. Ja tatsächlich muss ich die oft verteidigen , sonst wird man von den Menschen, die man liebt, terminlich gern verplant. Aber das gehört wohl dazu und ich werde nicht müde, mir Auszeiten zu nehmen und die auch zur Not zu verteidigen. 🤭
    Das Foto von Dir mit Hund finde ich einfach toll.
    Ich wünsche Dir einen schönen Sonntag, liebe Grüße Tina
    PS: ich hätte bestimmt von Taschen oder so gesprochen bei dem Thema 😂🤭

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    1. Oh ja, die Neigung, mich zu verplanen, kenne ich sehr, sehr gut. Inzwischen hat sich der Rest der Welt daran gewöhnt, dass mich genau ein Mensch verplant: Ich selbst. War aber ein hartes Stück Arbeit und es hat mich viel Zeit gekostet, das selbst auch so zu sehen.
      Taschen sind doch ein tolles Thema! Mach das mal. Ich würde es gern lesen! Mir ist die Idee tatsächlich beim Schwimmen gekommen. Im Moment bin ich mir selbst halt am wichtigsten. Und das ist neu für mich. Also wollte ich drüber schreiben :-) Für viele andere Menschen ist das vermutlich ein ganz alter Hut.

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  2. Es ist so wichtig, sich um sich selbst zu kümmern. Das heißt ja nicht, dass es ansonsten keine anderen Menschen mehr gibt. Aber nur, wenn Du selbst genug Kraft hast kannst Du Dich um andere kümmern.
    Meine Pausen sind mir heilig. Es freut mich sehr, dass es mit der Reha vorangeht.

    Liebe Grüße
    Sabine

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    1. Ja, so ist das. Wenn ich selbst erschöpft bin, kann ich mich um nix und niemanden kümmern. Und das wäre im Moment einfach blöd.
      Heute sind wir zum ersten Mal draußen spazieren gegangen. Ohne Rollstuhl. Auf eigenen Beinen. Zum ersten Mal seit 7 Wochen. Nur ein ganz kleines Stück, aber das war ein irres Gefühl.

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  3. Sehr interessant, wie du das Thema angegangen bist, das gefällt mir.
    Ja, das erste Essential in diesem Fall sollten wir sein. Und es ist genau richtig, wie du es machst. Denn Lachen und sich Gutes tun macht anderes nicht schlimmer. Eher etwas lecihter, du verstehst.
    Ich nutze übrigens zwei Kalender: Haptisch und digital.
    Hab einen genussvollen Sonntag
    Liebe Grüße
    Nicole

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    1. Die Idee dazu hatte ich tatsächlich beim Schwimmen. Ich hab mich einfach gefragt, was für mich im Moment am wichtigsten ist. Und das bin tatsächlich ich. Eine ganz neue Erfahrung, aber eine, die mir gut tut.

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  4. "Kein Mensch kann ein dauergrinsendes Glückbärchi sein. Das können nur Glücksbärchis ;-) " - hahaha, Danke! Genau so ist es, wenn alle Wünsche wahr würden, man dauerhaft glücklich wäre oder zaubern könnte, wie ätzend langweilig wäre das Leben auf einmal.
    Wobei, ab und zu mal einen Wunsch von der Glücksfee erfüllt zu bekommen, wär schon gut.
    Oh Mann, ich trau es mir gar nicht zu sagen, das erste Jahr, in dem ich mir keinen Kalender zugelegt habe. Und als ich dann doch gemerkt habe, das ist auch keine Lösung, waren alle schon weg... :-))) Irgendwie geht's auch so... jobmäßig hab ich eh keine Termine mehr.
    Liebe Grüße, Maren

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    1. Nee, ewiges Glück wüssten wir gar nicht zu schätzen, denke ich. Es müsste dann immer noch schneller-höher-weiter sein. Abgesehen davon besteht so ein Leben eben nicht nur aus Glück. Ist so wohl auch nie konzipiert worden, sonst gäbe es keine Kriege, keine Armut und keine Krankheiten.

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  5. Das klingt alles sehr gut und sehr richtig.
    Bei mir sind es die beiden Sporttermine und das Mittwochsdate mit Rudi, die gesetzt sind. Die können tatsächlich mal geschoben werden, aber nicht aufgehoben. Und auch nicht dauernd. Ansonsten führe ich viele To Do Listen. Das sind aber selten welche dabei, die tatsächlich kurzfristig "kritisch" sind. Manche To Dos erledigen sich schlicht durch Zeitablauf. Und ich überprüfe sie auch regelmäßig, ob ein Punkt auch heute noch sinnvoll klingt. Vor 1 oder 2 Wochen/Monaten kamen sie mir so vor.
    Ich schreibe tatsächlich grob in einen Tischkalender in der Küche, wenn ich beim Arzt/Friseur/Fußpflege oder Büro bin. Dann kann man Vater den Kalender nehmen und sehen, ob ich ihn z.B. an einem bestimmten Tag zum Arzt fahren kann. Das klappt so auch wirklich gut. Ein übersichtlich befüllter Kalender ist sicher sinnvoll.
    BG und weiterhin alles, alles Gute für Dich und Deinen Freund.
    Sunny

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