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Diagnose Burnout: Abschied mit Wehmut und Lachen



Am vergangenen Freitag war es soweit: Meine achtwöchige Therapie in der Tagesklinik endete. Die Zeit ist wie im Flug vergangen, ich habe wahnsinnig viel gelernt und in meinem Leben sind so einige Steine verrückt worden. Unsere Therapeuten hatten uns am vorletzten Tag gebeten, die acht Wochen unter eine Überschrift zu stellen. Meine Überschrift lautet: „Eine Reise zu mir selbst“.


Ich weiß noch genau, wie ich am ersten Tag in die Klinik fuhr. Ich hatte eine ordentliche Portion Angst im Gepäck und dazu jede Menge Skepsis. Eine Gruppentherapie - wollte ich das eigentlich? Was, wenn alle anderen in der Gruppe blöd sind? Achtsamkeitsseminare - och nööööö. Yoga und Qi Gong - ach du lieber Himmel. Und als i-Tüpfelchen jeden Morgen eine halbe Stunde Meditation. Aua.


Eigentlich hatte ich ja damit gerechnet, dass wir jede Menge irre tolle Tricks lernen, um den Stress im Job nicht allzu groß werden zu lassen. Dass ich lerne, nein zu sagen, wenn irgendjemand wieder mal einen Haufen Arbeit auf meinem Schreibtisch ablädt. Im Vorgespräch hatte ich genau das als Ziel formuliert.


Gelernt habe ich so unglaublich viel mehr. Es ging nicht um irgendwelche tollen Tricks. Es ging in erster Linie darum, warum ich so gestrickt bin wie ich eben gestrickt bin. In erster Linie habe ich mich mit mir selbst auseinander gesetzt. Glaubt mir, damit hatte ich nun definitiv nicht gerechnet. Und schon gleich dreimal nicht damit, dass ich tiefenpsychologisch in 56 Jahren meines Lebens herumstochere und dabei Überraschendes zutage fördere. Das Psychologen-Kind hatte mir genau das vorausgesagt - und ich habe es ihr nicht geglaubt. Wie soll das Kind sowas bitteschön auch besser wissen als die Mutter? Tse. Nur weil das ihr Beruf ist? Pah.


Wie auch immer: Ich habe gelernt, woher mein Hang kommt, mich gerne mal mit Arbeit zu überladen oder überladen zu lassen. Ich habe gelernt, woher meine Ungeduld rührt und die Konflikte, die es im vergangenen Jahr in der Redaktion gab. Ich habe gelernt, dass Achtsamkeit viel mehr als ein hipper Lifestyle ist und dass Meditation herzlich wenig mit Kerzen und Räucherstäbchen zu tun hat.


Und ich habe gelernt, was mir gut tut und wie ich künftig gut für mich sorge. Dass ich dem, was von außen kommt, nicht ausgeliefert bin, sondern selbst den Kurs bestimme. Ihr erinnert euch? Als meine Psychologin in der Ambulanz mir im November sagte, dass ich in der nächsten Zeit nur Dinge tun soll, die mir gut tun, habe ich sie angeguckt wie ein großes Fragezeichen. „Äh, wer bitte verrät mir denn, was mir gut tut? Ich habe nämlich nicht den geringsten Schimmer“. Inzwischen habe ich eine Notfallkiste - mit lauter Hinweisen auf Dinge, die mir gut tun.


Dass das funktioniert, weiß ich inzwischen. Gestern gab es einen Moment, in dem Stress und Panik plötzlich wieder über meinem Kopf zusammenschlugen. Ich habe diesen Moment nicht nur genau registriert, sondern ich habe mich aus der Situation verabschiedet und den Stress dann einfach - weggeatmet. Klingt merkwürdig, hat aber tadellos funktioniert.


Vor ein paar Wochen habe ich befürchtet, der letzte Tag in der Klinik wäre ein sehr, sehr tränenreicher Tag. War er nicht. Klar waren wir alle ein wenig wehmütig, weil wir uns in der Gruppe und in der Therapie alle ungeheuer wohl gefühlt hatten. Aber wir wussten auch alle: Jetzt ist Zeit für etwas Neues. Jetzt ist Zeit, rauszugehen und das auszuprobieren, was wir in acht Wochen gelernt haben.


Verabschiedet haben wir uns mit einer feudalen Kaffeetafel in dem Luxushotel, an dem wir zweimal pro Woche entlang gewalkt waren. Und mit ganz viel Gelächter. Und einige, besonders liebe Menschen aus meiner Therapiegruppe haben mich inzwischen auch schon besucht und wir durften endlich richtigen Kaffee inklusive Koffein und ohne Maske trinken :-)









Ein paar Wochen habe ich jetzt noch Zeit, um all das, was ich gelernt habe, wirklich zu verinnerlichen und dann geht es ab ins kalte Wasser aka Büro… Aber bevor es soweit ist, geht es unter anderem noch ans Meer. So wie am letzten Sonntag, als ich in Travemünde einen wunderschönen Frülhingstag im Walle-Strickkleid inklusive „Übergangsjacke“ genossen habe. Aus vollem Herzen, unglaublich entspannt und fröhlich. Und ausnahmsweise sogar mit einem Aperol. Freigang muss schließlich gefeiert werden :-)


Liebe Grüße

Fran

Kommentare

  1. Waaas, Deine Therapie ist schon vorbei... mir kam es auch viel schneller vor! Die Zeit rast wirklich, aber echt! Für mich hört sich das alles richtig gut an, was du erzählst. Es ist schon unglaublich, was man manchmal für Vorurteile hegt und pflegt ("dass Meditation herzlich wenig mit Kerzen und Räucherstäbchen zu tun hat..."), nur, weil man ein bisschen Schiss hat davor - wovor eigentlich? Als Eso-Spinner zu gelten? Soll es einem nicht egal sein, was andere denken? Oder hat man Angst, auf Schmerz zu stoßen? ich frage das so allgemein, mir sind solche Vorurteile nämlich absolut bekannt... und wenn ich mich sarkastisch drüber wegsetze, dann muss ich mich schonmal nicht ernsthaft damit beschäftigen...
    Wie gut, dass du das gemacht hast! Wünsch dir nun erstmal noch viele sonnige, erholsame Tage am Meer (schönes Strickkleid!), liebe Grüße, Maren

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  2. Alles Gute für den Ausklang der krankheitsbedingten Auszeit und wieder Einfinden ins Arbeitsleben wünsche ich Dir!

    Der Park gegenüber vom Hotel ist schön, oder? Da gehe ich manchmal mit dem Zausel spazieren, weil da ganzjährig eine riesige Hundeauslauffläche ist, so dass der Hund ungestraft durch den Wald toben darf.

    Herzliche Grüße
    Ines

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  3. Die 8 Wochen sind tatsächlich schon vorbei? Die Zeit fliegt.
    Gut, dass Du solch eine intensive und im besten Sinne lehrreiche Zeit dort hattest. Fürs eigene Leben etwas zu lernen, das ist doch das Beste, was einem widerfahren kann. Und dann noch nette Leute kennenlernen dabei, das ist auch nicht zu verachten, wenn man dann wieder selbst auf sich gestellt ist.
    Ab und zu Ostsee hilft natürlich auch ein bisschen mit...
    Weiterhin eine gute Reise zu Dir selbst wünscht herzlich,
    Sieglinde

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  4. Oh die Zeit vergeht einfach schnell. Schön zu lesen was Du mitgenommnen hast. Ich wünsche Dir alles Gute fürs gemütliche wiedereinsteigen. Ich bin sicher Du schaffst das gesund zu werden. ❤️
    Tatsächlich hätte ich wohl die selben Gedanken gehabt wie Du. Ich dachte jetzt noch Du hättest paar Tipps gegen das stressige Berufsleben. 😉
    Dein Outfit sieht gemütlich aus, schön die Fotos von der Ostsee.
    Liebe Grüße Tina

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  5. Die Zeit rast aber auch. Du siehst richtig fröhlich aus. Alles Gute für den Wiedereinstieg. Fang langsam an. Und lieber mal einen Schritt zurück wenn's zuviel wird.

    Liebe Grüße
    Sabine

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  6. Wahnsinn, dass acht Wochen mit einem Fingerschnipps, aber viel gutem Gelernten schon vorüber sind.
    Ich wünsche dir von Herzen, dass du das Gelernte jetzt immer anwenden kannst, wenn (nicht Meeres) Wellen zu hoch schlagen und du dir einen neuen Alltag eroberst, der dich dich nicht vergessen lässt.

    Alles Liebe Nicole

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  7. Das klingt für mich alles sehr gut. Vor allem, dass Du schon feststellen durftest, dass Du da lauter sinnvolle Tools in Deinen Handwerkskoffer packen konntest. Ich habe schon gesehen, dass Du jetzt in der Wärme bist und so auch diese Akkus noch gut aufladen kannst. Hab viel Spaß und eine gute Zeit.
    BG Sunny

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  8. Schön, dass dir die Zeit so gut bekommen ist. Du wirst das schaffen, bei dem, was du jetzt alles verinnerlicht hast. Ich wünsche dir einen schönen sanften Wiedereinstieg und alles gut.
    Gudrun

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  9. Wunderbar, nur gute Nachrichten und positive Gedanken, das freut mich sehr für dich! Nutz jetzt die Zeit nach der Therapie, um mehr zu verstehen, was passiert ist, und um immer mehr über dich selbst zu erfahren. Beobachte einfach alles um dich herum und vergiss nie, sofort wegzuwerfen, was dir deine Kraft raubt.
    Alles Liebe für dich,
    Claudia

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