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Ich leide an psychischer Gesundheit…



… konstatiert eine Teilnehmerin einer Influencer-Reisegruppe zu einem Event der besonderen Art, Eingeladen hatte eine bekannte deutschen „content creatorin“ aka Spielerfrau, Ex-Spieler-Frau oder Spieler-Exfrau - ich bin im Fußballgeschäft eher so gar nicht zuhause - zu einem Mental-Health-Retreat.


„I suffer from mental health“, stand wirklich unter ihrem Bild in der Vorstellung der Teilnehmer. Der erste Lacher des Tages. So ein Influencer-Leben ist aber auch schwierig, wenn man an psychischer Gesundheit leidet. Vermutlich ist mindestens eine ordentliche Neurose oder eine psychische Störung in dem Business echt hilfreich. Gesund ist sowas kaum durchzustehen. Aber das soll gar nicht das Thema sein. War quasi ein Side-Gag bei der ganzen Geschichte, der mich aber prächtig amüsiert hat.


Aber zurück zum Retreat. Da war, wie sich das für so ein Mental Health Retreat gehört, die ganze Palette an psychischen Problemen und Störungen aus Influencerhausen vertreten: Sucht, Essstörung, Depression, Angststörung etc. pp. Alle gemeinsam flogen für ein paar Tage in ein Luxushotel nach Rhodos. Und da ging es dann los: Yoga, Malen, ein Booty-Workout, Energy-Balls kneten und so weiter. Was man halt so macht. Natürlich wurde auch gedetoxt, gefeiert und eine Creme gerührt. Ach, und natürlich Yoga. Außerdem ein bisschen Yoga. Und nach zwei Tagen war klar: Alle strahlen, alle fühlen sich toll und die psychischen Probleme der Teilnehmer sind gelöst. So einfach kann es sein!


Selbstverständlich ist das gesamte Retreat beziehungsweise die Instagram-Berichterstattung darüber mit Werbung ohne Ende garniert. Irgendjemand muss das ja finanzieren. Und wir wissen schließlich alle, dass man, wenn man Yoga macht, am besten Hafer- oder Mandelmilch trinkt. Und wer sollte mehr Ahnung vom Malen haben als Maybelline? Abgesehen davon ist es lediglich Mindfuck, wenn ein Schelm Böses dabei denkt :-)


Ein paar markige Sprüche wie „Love yourself“ und „Stop mindfuck“ - so einfach kann der Kampf gegen Depressionen oder Essstörungen sein. Aber bitte verratet das nicht denjenigen, die nach einem fünfjährigen Psychologiestudium noch eine zweijährige Therapeutenausbildung anschließen. Die sind dann traurig und brauchen ein Retreat…


Versteht mich nicht falsch. Ich finde es gut, wenn über psychische Erkrankungen geredet wird. Und deshalb tu ich das auch in meiner Burnout-Reihe. Aber bitte nicht so. Eine durchgetaktete Werbeveranstaltung mit ein bisschen energy-ball-kneten und Yoga ist ganz sicher keine Hilfe für Menschen, die tatsächlich erkrankt sind. Genausowenig wie eine Duftkerze gegen Krebs hilft, nichtmal wenn es 50 Prozent Rabatt gibt.


Und mal ganz ehrlich: Menschen, die wirklich erkrankt sind, tut man mit solchen Scherz-Veranstaltungen ganz sicher keinen Gefallen. Denn damit wird suggeriert, dass psychische Erkrankungen per 5-Sterne-Hotel mit ein bisschen Drumerhum zu kurieren sind. Sind sie nicht. Nicht durch Mandelmilch, nicht durch das richtige Make-up und nicht durch Nahrungsergänzungsmittel, auch nicht, wenn es Rabattcodes gibt. Das ist ein Schlag ins Gesicht für Menschen, die tatsächlich an solchen Erkrankungen leiden. Denn die sind ja scheinbar einfach nur zu blöde, um sich in zwei Tagen im griechischen Luxushotel eben mal zu kurieren…


Liebe Grüße

Fran





Kommentare

  1. Danke dir. Da hat das "du musst nur mehr spazierengehen" eine Ergänzung um Schminke und Hafermilch und Rabattcodes gefunden. Ganz prima (nicht).

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    1. Ach, und Sonne. Oder Vitamin D. Damit geht alles. Aber mein absolutes Highlight ist immer noch: "Lach doch mal öfter".

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  2. Genau! So eine Veranstaltung ist sicher wirklich nur was für diejenigen, die an psychischer Gesundheit leiden ;-DDDD
    Liebe Grüße, Maren

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    1. Fragt sich nur: Kommt man dann auch psychisch gesund zurück? Oder dreht man durch?

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  3. "Aber bitte verratet das nicht denjenigen, die nach einem fünfjährigen Psychologiestudium noch eine zweijährige Therapeutenausbildung anschließen. Die sind dann traurig und brauchen ein Retreat…"

    Vorallem, wenn sie zu denen gehören, die zu früh studiert haben, und diese Ausbildung für 25-30.000 Euro selbst bezahlen dürfen ... Vielleicht sponsert M. das demnächst dann auch? Frage für eine Nachbarstochter ...



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    1. Stimmt. Das ist sowas von ungerecht. Die Ausbildung ist echt heftig und heftig teuer. Ich verstehe jeden Therapeuten, der bei solchen Influencer-Retreats in die Tischkante beißt...

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  4. Ach Fran, Du hast es mal wieder auf den Punkt gebracht. Applaus. :) Ein schönes Wochenende und viele Grüße. Grit

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  5. Fast schade, dass es so amüsant zu lesen ist.:) Du hast natürlich völlig recht und es ist traurig, dass sowas funktioniert.
    Ein schönes Wochenende, liebe Grüße Tina

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    1. Wenn man mal dieses gesamte Retreat- und Coach-Business unter die Lupe nimmt, möchte man verzweifeln. Aber das ist ja nun auch keine Lösung :-)

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  6. Ich mag es, wie du ernste (und bekloppt gehandhabte) Dinge in Ironie verpackst.

    Mir geht es gehörig gegen den Strich, was manche selbsternannte Experten so verbreiten und einige Menschen so auf diese Züge aufspringen. Bei einigen Themen schmunzle ich darüber, bei anderen bin ich einfach entsetzt.

    Denn jede dieser von dir aufgeführten Krankheiten ist, wenn sie echt ist, ernstzunehmen und nicht durch das Kneten eines Balles und das Trinken von Zitroneningwerwasser (was natürlich lecker ist) behoben. Im Gegenteil.

    Aber natürlich haben solche Entwicklungen viele Wurzelen: Profit, das inflationäre Benutzen von Krankheitsbegriffen (wie oft hört man bestimmte Sachen und denkt: Weißt du eigentlich, wie das wäre, wenn du es WIRKLICH hättest?), die Liste ist lang.

    Liebe Grüße und ein schönes Wochenende
    Nicole

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    1. Was daran wirklich gefährlich ist, ist die Tatsache, dass sich Influencer um Themen wie Gesundheit (egal ob mental oder körperlich) "kümmern". Diese Themen gehören definitiv in die Hände von Fachleuten. Aber die Kundinnen auf Instagram fliegen halt eher auf Glitzer und Glamour und darauf, dass irgendjemand ihre Probleme möglichst ohne Anforderungen löst. Da kann ein Therapeut, der Mithilfe von seinem Patienten verlangt, nicht mithalten.

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  7. All dies ist für mich absurd, inakzeptabel, unverständlich, unsensibel. Wirklich, ich kann nicht verstehen, wie dies von seriösen Firmen noch unterstützt werden kann! :(
    Liebe Grüße,
    Claudia

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    1. Den Firmen geht es um Marketing, nicht mehr und nicht weniger. Und scheinbar funktioniert es. Nun ja, Alpro kommt definitiv hier nicht mehr ins Haus :-)

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  8. Ich bin ganz bei Dir. Habe es "nur" am Rande verfolgt und muss das nicht weiter vertiefen. Der Shitstorm ist den Veranstaltern eh sicher. Und das zu Recht.

    Liebe Grüße
    Sabine

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    1. Naja, als Reaktion auf den Shirtstorm kam erstmal im Wesentlichen die bekannte Neid-Debatte. Wer kritisiert, ist neidisch. Das ist in den sozialen Medien ein Naturgesetz.

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  9. Ich leide an psychischer Gesundheit…??? :-)))
    Ich glaube es gibt unzählige schlimmere "Befindlichkeiten".
    Wahrscheinlich sind alle Menschen mal psychisch nicht ganz stabil. Aber ich würde hier eher nicht von einer echten, behandlungswürdigen und auch -fähigen Krankheit sprechen.
    BG Sunny

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