Direkt zum Hauptbereich

Antidepressiva - was tun die eigentlich?

Foto: Pixabay



Wie oft habe ich vor allem von wechseljahresgeplagten Frauen in den sozialen Medien gelesen, die wütend auf ihren Arzt waren, weil er ihnen eine Depression bescheinigen wollte und - oh Gott, oh. Schreck - Antidepressiva verordnen wollte. „Sowas will ich nicht nehmen“ oder „Sowas brauch ICH doch nicht“. Joa. Kann man machen. ICH hab sie fast zwei Jahre lang genommen, die verpönten Antidepressiva. Und mir haben sie geholfen. Ich hatte alllerdings auch keine Wechseljahre, sondern einen Burnout.


Aber gefragt habe ich mich schon, warum so viele Menschen Antidepressiva ablehnen. Vermutlich ist das so, weil viel zu wenige Menschen weiß, wie sie wirken. Ein Antibiotikum wirkt gegen bakterielle Entzündungen - Einzelheiten sind den Konsumenten da in der Regel nicht so wichtig. Antidepressiva wirken dagegen auf den Transmitterhaushalt im Gehirn. Aber alles, was im Gehirn wirkt, ist vielen Menschen suspekt. Muss es aber gar nicht sein.


Transmitter sind Botenstoffe des Nervensystems, also der Verknüpfung unserer Nerven - und die findet eben vor allem im Gehirn statt. Es gibt ganz unterschiedliche Transmitter: Adrenalin und Noradrenalin beispielsweise, die dafür sorgen, dass wir uns energiegeladen fühlen und „in die Gänge“ kommen. Dopamin als sogenanntes „Glückshormon“ oder Serotonin als Transmitter, der unter anderem auf die Stimmung und den Schlaf wirkt.


Leidet man an einer Depression, an zu viel Stress oder Ängsten, kann das den Serotoninspiegel beeinträchtigen. Die Folge ist dann eine gedrückte Stimmung, Schlafprobleme oder verstärkte Ängste. Ein Teufelskreis also. Und genau da setzen moderne Antidepressiva an. Das sind mehrheitlich sogenannte „Selektive Serotonin Wiederaufnahme-Hemmer“, kurz SSRI, die dafür sorgen, dass der ohnehin vorhandene Serotoninspiegel im Gehirn steigt. Damit ist es dann wieder möglich, uns zu entspannen, ausreichend zu schlafen und die Stimmung wird aufgehellt. Das ist kein Zauberwerk und keine Hexerei, sondern das Zusammenwirken von Chemie und elektrischen Impulsen - und die haben unsere Gehirne schon immer gesteuert.


Moderne Antidepressiva tun also im Prinzip nix anderes als die Konzentration von Neurotransmittern, die ohnehin vorhanden, aber deren Konzentration durcheinander geraten ist, wieder in die richtige Balance zu bringen. Die können zwar noch immer Nebenwirkungen haben, aber weitaus weniger als die älteren Antidepressiva, die etwas mehr „Holzhammer“ hatten. Allerdings - und das macht sie vor allem bei Frauen sehr, sehr unbeliebt - haben auch moderne Antidepressiva eine tendenziell gewichtssteigernde Wirkung. Sie machen allerdings weder abhängig noch sind es obskure „Psycho-Pillen“.


Man beginnt meist mit einer niedrigen Dosis und guckt, wie sie wirken. Ohnehin setzt die Wirkung erst etwa zwei Wochen ein, denn der Neurotransmitterspiegel muss sich erstmal neu ausbalancieren. Leidet man nur unter schwachen Symptomen einer Depression, ist auch die Wirkung eines Antidepressivums gering. Daher werden sie ohnehin eher nicht bei leichten Depressionen verschrieben.


Entgegen anderslautender Gerüchte machen Antidepressiva übrigens auch nicht abhängig - weder körperlich noch psychisch. Allerdings sollte man sie nicht abrupt absetzen, sondern ganz langsam ausschleichen. 


 Meine Erfahrungen waren eigentlich durchweg positiv. Das Antidepressivum hat bei mir sehr gut gewirkt und hat mir vor allem die ersten sechs Monate sehr viel einfacher gemacht. Und ja, ich war auch erstmal skeptisch und fand das Zeug spooky. Aber nachdem ich gelernt habe, was ein Antidepressivum macht und wie es wirkt, fand ich es ungefähr genauso logisch, es zu nehmen wie ich bei einer Lungenentzündung ein Antibiotikum nehme.


Bevor man das Medikament absetzt, sollte man dann auch tatsächlich stabil sein. Das zu tun, während man gerade in einer depressiven Episode steckt, dürfte unschön sein. Ich habe es ab Jahresmitte ausgeschlichten, als es mir wieder wirklich gut ging. Und habe trotzdem gemerkt, dass phasenweise die Stimmung ein wenig gelitten hat und ich wieder ganz allein für die gute Stimmung verantwortlich war. Das hat wunderbar funktioniert, weil es mir gut ging. Daher raten Ärzte - und diesen Rat würde ich definitiv ernst nehmen - das Medikament erst dann abzusetzen, wenn man „über den Berg“ ist. Ansonste rutscht man im schlimmsten Fall gleich wieder in eine depressive Phase und das will kein Mensch.


Wie gesagt: Ich habe knapp zwei Jahre lang Antidepressiva genommen, bin weder zum Zombie mutiert noch sind mir ein elfter Finger oder ein dritter Fuß gewachsen ;-) Wenn man tief in einer Depression steckt, kann ein Antidepressivum auch schon mal Leben retten.


Liebe Grüße

Fran


Kommentare

  1. So eine dritte Hand könnte aber schon manchmal Zweck haben 😂. Scherz beiseite: Ich bin immer noch überrascht, was Menschen so in sich füllen, OHNE einen Arzt zu fragen oder haben wollen, WEIL sie es im Internet gelesen haben.

    Da finde ich deine Aufklärung für ein wichtiges Thema sehr gut.
    Ich war und bin bei Schmerzmitteln immer noch sehr sensibel.

    Aber Antidepressiva, von denen ich glaube, dass sie bewusst verordnet werden, die machen natürlich Sinn. Wusste ich schon vorher, jetzt weiß ich es tiefer.

    Liebe Grüße
    Nicole

    AntwortenLöschen
  2. Super wichtig ist wirklich auch das ausschleichen, also nicht einfach weglassen, sondern ausschleichen bedeutet, die Dosis langsam zu verringern. Also ich weiß natürlich, dass Du es weißt .😂🤭
    Ich finde Deine Erklärung klasse. Tatsächlich wird Ärzten manchmal in dieser Beziehung wirklich misstraut.Schade eigentlich.
    Ich wünsche Dir ein wunderschönes Wochenende, liebe Grüße Tina

    AntwortenLöschen
  3. Nehme Antidepressiva seit über 20 Jahren. Allerdings in der geringsten Dosierung die auf dem Markt ist. Viele Patienten mit Krankheiten aus dem rheumatischen Formenkreis müssen welche nehmen, da sonst die Schmerzmittel nicht wirken. Meine Lebensqualität wäre ohne Antidepressiva stark eingeschränkt und viel schlechter. Auch daher sind Beiträge wie deiner sehr informativ und wichtig um die Angst davor ein Stück weit zu nehmen. Liebe Grüße

    AntwortenLöschen
  4. Ich hatte mich damit (zum Glück) noch nie auseinander setzen müssen, finde es aber super spannen, mal zu lernen, was da wirklich dahinter steckt. Und auch die Antibiotika soll man ja nicht mittendrin absetzen, guter Vergleich. Vielleicht sind es einfach veraltete Informationen, die die Vorurteile nähren. Dabei entwickelt sich die Medizin ja laufend weiter und die Behandlungen werden immer effektiver. Wer gedanklich noch beim Aderlass festhängt, dem ist eh nicht zu helfen 😉

    AntwortenLöschen
  5. Vor allem Aufklärung ist wichtig und eine eindeutige Diagnose. Tatsächlich können "Stimmungsaufheller" auch in den Wechseljahren helfen. Ein Schreckgespenst wäre das für mich nicht. Du hast das gut erklärt.

    Liebe Grüße
    Sabine

    AntwortenLöschen
  6. Das Verschreiben dieser Medikamente macht mit Sicherheit Sinn.
    Wir hatten während des Studiums im Wohnheim ein Mädel, das hat auch welche genommen. Vermutlich haben sie ihr schon geholfen, aber ich fand sie trotzdem spooky. Sie hat immer irgendwelche Storys erzählt, die keiner ihrer Bekannten bestätigen konnte. Sie würde mit dem Englischlehrer ihres Gymmis gehen. Dann hat sie nach einer Faschingsparty ein unschuldiges Kerlchen verführt und wurde mit 21 Mutter. Tataaa.
    Kein Witz. Ich fand das alles wirklich schräg.
    BG Sunny

    AntwortenLöschen
  7. Toll erklärt, danke dafür!

    LG
    Gunda

    AntwortenLöschen
  8. Ich habe bei Antidepressiva die gleichen "Vorurteile" wie bei Ritalin oder Antibiotika oder anderen Medikamenten: bin froh, wenn ich sie nicht einnehmen muss. Aber nur "zum Spaß" nimmt die ja keiner. Und wegen so ein bisschen Wechseljahresbeschwerden sicher auch nicht. Aber wie bei allem gibt es ja auch hier unterschiedliche Ausprägungen... und ohne jammern zu wollen, merke ich schon, dass mir die menopausalen "Zipperlein" zeitweise derart zu schaffen machen, dass ich mir durchaus vorstellen kann, etwas einzunehmen, bevor ich auf so ne Hormonachterbahn gerate :-DDD. Will damit auch nur sagen: natürlich würde ich auch Antidepressiva nehmen, wenn es mir schlecht ginge und ich wüsste, dass es hilft. Aber das wär - wie jedes Medikament - natürlich das letzte Mittel der Wahl.
    Weil Depression noch immer Tabuthema ist, sind es Antidepressiva natürlich ebenso.
    Danke fürs Vorstellen und Erklären, man kann das sehr gut verstehen und nachvollziehen! Liebe Grüße, Maren

    AntwortenLöschen

Kommentar veröffentlichen

Dieser Blog ist mit Blogspot, einem Googleprodukt, erstellt und wird von Google gehostet. Es gelten die Datenschutzerklärung & Nutzungsbedingungen für Googleprodukte.

Wenn Du die Kommentare zu diesem Beitrag durch Setzen des Häkchens abonnierst, informiert Dich Google jeweils durch eine Mail an die in Deinem Googleprofil hinterlegte Mail-Adresse.
Durch Entfernen des Hakens löscht Du Dein Abbonement und es wird Dir eine entsprechende Vollzugsnachricht angezeigt. Du hast aber auch die Möglichkeit Dich in der Mail, die Dich über einen neuen Kommentar informiert, über einen deutlichen Link wieder abzumelden.

Beliebte Posts aus diesem Blog

Gelernt im November: Von Hot Dogs, Fußball, Erbseneintopf und schlauen Frauen

Im Bann von Superwoman

Kleiderstange: So langsam wird es Winter